Norddeich Radio / DAN  (Ende 1959)
Sendestelle Norddeichradio (Teil 1)
Fotos (5) und Bericht: © 2011 Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB

Gesamtansicht der Sendestelle vom Deich aus von Westen
Die in zwei der drei hohen freistehenden Masten eingebauten Vertikalantennen trugen den Spitznamen "Papstfinger", da sie zu allererst für den Kurzwellenrundfunk des Vatikan  entwickelt worden waren. Es handelte sich um sogenannte Groundplane-Antennen mit fernabstimmbarem Vertikalteil für schnellen Frequenzwechsel; die ausgefahrene Länge wurde mit einem Motor auf eine Viertelwellenlänge eingestellt. Vier der kleineren abgespannten, 60 m hohen Masten stammten noch aus der Anfangszeit von Norddeich Radio, aus dem Jahr 1906, und standen auf Isolatoren. Zwei davon trugen weitere Groundplane-Antennen, die fest auf bestimmte Seefunkbänder abgestimmt waren; zwei andere arbeiteten als selbststrahlende Masten auf Grenzwelle. Nebenbei trugen die hohen Masten T-Antennen für Mittelwelle (früher auch für Langwelle 125 kHz) und die kürzeren Masten Drahtantennen für Kurzwelle. Der hölzerne Kühlturm diente zur Kühlung des Umlaufwassers, das in den Wärmetauschern vom heißen destillierten Wasser aus den Senderöhren erwärmt worden war. 
Die drei freistehenden Masten hatten eine Höhe von 120 m und sind 1928 erbaut worden. Ursprünglich waren vier Masten von je 150 m Höhe geplant. Drei von ihnen waren im Jahre 1925 fertiggestellt, aber von einem starken Nordoststurm innerhalb einer halben Stunde umgelegt worden. Nach Augenzeugenberichten waren die stürzenden Masten von einer Feuergarbe glühender Nieten umgeben. Trotzdem wurde niemand verletzt, und die Masten sind glücklicherweise so gefallen, daß die Gebäude und die kleineren Masten verschont geblieben sind. Das Bild der demolierten Sendestation ging damals durch die Presse. Um den Funkbetrieb weiterzuführen, hat man dann aus den Teilen für den vierten Mast zunächst provisorisch zwei Masten von 70 m Höhe gebaut, bis die neuen Masten benutzbar waren.
Bereits 1960 wurden die vier alten Masten von 1906 abgebrochen. Das konnte man sich wohl erlauben, denn bereits 1958 hatte Norddeich Radio den Mittel- und Grenzwellen-Funkverkehr von Elbe-Weser-Radio, DAC, übernommen, und die Mittel- und Grenzwellensender der ehemaligen Sendestelle Sahlenburg bei Cuxhaven konnten von Utlandshörn aus getastet bzw besprochen werden. Elbe-Weser-Radio arbeitete nur noch im UKW-Seefunkbereich 156-174 MHz zur Versorgung des Mündungsgebietes von Elbe und Weser. 
In manchen Fällen benutzte Norddeich Radio für den Kurzwellenfunk zu jener Zeit auch schon Sender der Überseefunkstelle Elmshorn bei Hamburg, die über Postleitungen ferngetastet wurden. Die sich damals schon andeutende Entlastung des festen Überseefunks durch Transatlantik- Telefoniekabel und Nachrichtensatelliten machte eine solche Nutzung sinnvoll. Dies wurde später intensiviert.
oben links:  Zwei Kurzwellensender der Fa. Rohde & Schwarz, eingerichtet für schnellen Frequenzwechsel für den Telefonieverkehr auf Kurzwelle. Dies war ein Erfordernis der Zeit. Früher waren Telefoniegespräche auf Kurzwelle selten und mußten per Morsetelegrafie angemeldet werden. Später wurden auch spezielle Anruffrequenzen für Kurzwellentelefonie eingeführt, vor allem nach dem Übergang von der Amplitudenmodulation auf die effektivere Einseitenbandmodulation.
oben rechts:  Der Sendersaal zu Weihnachten 1959.
oben links:  Alter 10-kW-Kurzwellensender für Morsebetrieb aus dem Jahre 1930. Die Aussendung konnte auch von weitem anhand einer großen Glimmlampe kontrolliert werden, die durch die Frontplatte ragte und im Rhythmus der Morsezeichen blinkte. Die Steuerstufe dieses Senders war ursprünglich freischwingend. Zur Verbesserung der Frequenzkonstanz wurden später Quarzoszillatoren im seitlichen Anbau links, von Streben gestützt, nachgerüstet. Der Sender war innen begehbar, durch die Tür hinter dem Quarzanbau. Das war auch im Betriebsablauf notwendig. Denn das Kühlwasser für die Gegentakt-Enstufe floß zunächst durch die eine Röhrenanode, dann durch die Tankkreisspule für tiefe Frequenzen und dann weiter durch die zweite Röhrenanode ab. So einen Flüssigkeitsweg mit HF-Funktion konnte man nicht umschalten. Zum Senden auf 16 MHz mußte daher im Innern von Hand parallel zur vorhandenen eine weitere Tankkreisspule gesteckt werden, um die Gesamtinduktivität zu verringern.
Die Sendestelle Norddeich war seit langem für den Betrieb wassergekühlter Sender eingerichtet. Dadurch herrschte im Sendersaal eine angenehme Ruhe. Zudem wurde das zum Kühlen der unter Hochspannung arbeitenden Röhren notwendige (nichtleitende) destillierte Wasser in einem Wärmetauscher wieder abgekühlt, und das dabei erwärmte und in einem Kühlturm außen abgekühlte Gebrauchswasser stand den Beschäftigten in den Waschräumen zur Verfügung. Diese Stille im Sendesaal wurde leider in den 50iger Jahren durch neue Sender mit luftgekühlten Leistungsröhren beeinträchtigt. Diese waren für den Aufbau des UKW-Rundfunks für die Installierung von Sendern auf hohen Bergen entwickelt worden, wo Wasser nicht verfügbar war. Das unvermeidliche Brausen der luftgekühlten Sender war damals trotz aller Maßnahmen zur Geräuschdämmung allen Senderwächtern ein Dorn im Auge. Erst nach der Entwicklung siedegekühlter Endröhren für große Rundfunksender und der dazugehörigen, ebenfalls siedegekühlten Treiberröhren waren auch für die im Küstenfunkdienst üblichen Sendeleistungen wieder moderne wassergekühlte Röhren greifbar. Aber da war die Zeit für den Küsten- und Seefunkdienst schon fast abgelaufen . . . 
oben rechts:  "Verschiebebahnhof" in der Mitte der Senderhalle. Hier konnte, soweit das sinnvoll war, jeder Sender auf jede Antenne geschaltet werden.
Bildnachweis:

Alle Fotos (5)  Urheber gem. §7 Urh.G.: Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB  (Mit freundl. Genehmigung 2005)
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Version: 10-Apr-05 / Rev.: 07-Oct-07 / 28-May-10 / 06-Jun-11 / HBu