Dieser Artikel ist im "Archiv für deutsche Postgeschichte" Heft 2/1993 erschienen. Abdruck auf der Homepage "Seefunk & Seeschiffahrt" mit freundl. Genehmigung der Witwe des Verfassers Hans-Joachim Ellissen und der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte e.V. Zentrale Geschäftsstelle, Schaumainkai 53, 60596 Frankfurt am Main |
Wien
gibt den Anstoß
In der »Physikalischen Zeitschrift« beschrieb 1906 Prof. M. Wien die Stoßerregung eines gekoppelten Braunschen Senders, die dessen Zweiwelligkeit verhinderte. Er benutzte hierfür eine Funkenstrecke von nur etwa 0,1 mm. Die sehr kleinen Funken erlöschten so schnell, dass auch die Strecke selbst erloschen blieb - entionisiert war - und erst bei der nächsten vom Induktor gesteuerten Aufladung des Kondensators im Primärkreis wieder zündete. Ersetzt man in einem Braunschen Sender die Knallfunkenstrecke durch eine derartige Löschfunkenstrecke, schwingt nach der ersten Kondensatorladung und dem Funkenüberschlag der Primärkreis mit einer gedämpften Schwingung aus. Hierbei wird im z. B. induktiv angekoppelten sekundären Antennenkreis HF-Energie induziert, die ihren Höchstwert nach dem Abklingen der Schwingungen im Erregerkreis erreicht. Die Löschfunkenstrecke erlischt nach der letzten Primärschwingung. Wegen der schnellen Entionisierung kann sie von der dann rückwirkenden HF-Energie des Antennenkreises nicht mehr gezündet werden, so dass auch keine zweiwellige Schwebung zwischen Erreger- und Antennenkreis entstehen kann. Der Antennenkreis schwingt unter Abstrahlen einer elektromagnetischen Welle frei aus. Die bei einer Funkenfolge entstehenden einzelnen Wellenzüge sind erheblich länger als bei dem gleichen Sender mit Knallfunkenstrecke. Telefunken
baut die Löschfunkentechnik aus
Bei den Sendern der gleichen Leistungsstufen änderten sich im Laufe der Zeit z.T. die Anordnung der Bauteile (Gestell- und Tischaufbauten) sowie deren mechanische Ausführung (z. B. Flachbandspulen statt Runddraht-Zylinderspulen bei kleinen Leistungen, oder die Höhe der Leydener Flaschen). Bei den 2,5-TV- und 10-TV-Sendern wurde eine Hilfszündeinrichtung der Löschfunkenstrecke eingesetzt, die einen schnellen Leistungswechsel erlaubte, ohne die Tonreinheit zu beeinflussen. Außer in den Regelausführungen gab es Sender mit vom Kunden geforderten anderen Daten. z.B. wurden bei der Küstenfunkstelle Norddeich Radio 1911 ein Löschfunkensender von 2,5 kW mit erweitertem Wellenbereich (300-7 000 m) sowie ein 10-kW-Sender für Weitverkehr auf Langwelle (1 000-3 000 m) in Betrieb genommen. Die Abstufung der verschiedenen Leistungsklassen der Löschfunkensender geschah sowohl mit der Höhe der Funkenspannung (8 kV ... 100 kV) als auch mit dem Kapazitätswert der Kondensatoranordnung im Stoßkreis (z. B. 6 000 cm bei 200 W HF, 25 000 cm bei 25 kW). Die Spannung bestimmte auch die Anzahl der in Serie geschalteten Löschfunkenstrecken: Etwa 1 000 ... 1 400 V, je nach Stärke des Isolierringes aus Glimmer, später aus Acetylzellulose, 0,1 ... 0,3 mm stark. Abhängig von der Sendergröße wurden bei kleinen Leistungen als Kondensator Stanniol mit Glimmer- oder Paraffinpapier-Isolation verwendet, bei größeren Anlagen Leydener Flaschen, 2 bis 90 Stück, z.T. in parallel- und hintereinander geschalteten Gruppen. Die Induktivitäten des Stoß- und des Antennenkreises bestanden in der Regel aus Kupferband-Flachspulen, z.T. als Variometer mit veränderlicher Selbstinduktion durch Drehen oder Schwenken von Spulenteilen geschaltet. Variometer wurden zur Feinabstimmung des Antennenkreises auf die Frequenz des Stoßkreises benutzt und als Abstimmspulen in den Stoßkreisen der durchstimmbaren. Die meist 3 bis 5 Festfrequenzen der Sender für Handelsmarine und Küstenfunkstellen zwischen 300 und 1 000 kHz konnten über Stöpselkontakte gewählt werden. Als Beispiel für den grundsätzlichen Aufbau von Löschfunkensendern kann die am meisten eingebaute 1,5 kW-Anlage für Schiffe dienen, sie wurde auch bei kleineren Küstenfunkstellen eingesetzt. Diese Station war gedacht für mittlere Handels- und Passagierdampfer mit meist dreidrähtigen L- oder T-Antennen zwischen Masten von 18 bis 35 m Höhe und 30 bis 70 m Abstand. Die Tagesreichweite betrug je nach den Antennenabmessungen 200 bis 600 km, nachts etwa das Doppelte. Als Stromversorgung ist aus dem 110 V-Gleichstrom-Bordnetz ein 2 kW-Motor-Generator für 220 V Wechselstrom 500 Hz vorgesehen, dessen Ausgangsspannung auf 8 000 V transformiert wird (Öltransformator). Da sowohl die positiven als auch die negativen Halbwellen der Hochspannung der 500 Hz-Hochspannung die Löschfunkenstrecken zünden, entstehen Wellenzüge im 1 000 Hz-Abstand, die im Kopfhörer als 1 000 Hz-Ton hörbar werden. Die 8 kV sind nur für die volle Senderleistung erforderlich. Wird eine geringere Senderleistung benötigt - z.B. beim Abstimmen des Senders auf eine durch Stöpselkontakte vorgegebene andere Wellenlänge oder bei nur geringer Entfernung der Gegenstelle -, kann die Hochspannung mit einem Spannungsregler (Regelwiderstand) im Erregerkreis des 500-Hz-Generators verringert werden. Dabei ist auch die Anzahl der Löschfunkenstrecken entsprechend zu vermindern. Die HF-Leistung nimmt dabei quadratisch mit der Anzahl der Funkenstrecken ab. Bei 2 Strecken statt 8 sinkt die Sendeleistung auf 1/16 ab, auf etwa 100 Watt, bei einer einzigen Funkenstrecke auf 1/6 , entsprechend etwa 25 Watt. Der Spannungsregler wird als Tonschieber bezeichnet, weil er beim Abstimmen des Senders auf diejenige Spannung eingestellt wird, die in seinem Empfänger einen möglichst reinen 1 000 Hz-Ton erzeugt. Die 'Tondrossel ist eine niederohmige Spule mit einem verschiebbaren Kern aus Weicheisendrähten. Sie war so eingestellt, dass der Kreis aus den Induktivitäten der Generatorwicklung und der Primärwicklung des Transformators (mit der transformierten Kapazität der Leydener Flaschen des Sekundärkreises) bei 500 Hz in Resonanz kam. Dadurch stieg die Hochspannung an den Leydener Flaschen auf höhere Werte als ohne Drossel, weiter wurde die Funkenlöschung begünstigt. Für den Hörempfang setzte Telefunken zu Anfang (1903/04) die Primär- (Einkreis-) Empfänger G.A.H. und E4 mit Schloemilchzellen ein. Um 1907 wurde der E 4 auf Kristalldetektoren umgerüstet und als Standardempfänger E5 (50 ... 1 500 kHz) für alle Löschfunkenstationen benutzt. Für größere Stationen gab es noch den E5c mit zusätzlichem Drehkondensator als Sekundär-(Zweikreis-) Empfänger mit höherer Trennschärfe.
Um bei Ausfall des Schiffsnetzes oder des 500 Hz-Umformers einen Notbetrieb zu ermöglichen, war ein sog. Notsender vorgesehen, ein Funkeninduktor mit hart eingespanntem Hammerunterbrecher (nach Wagner) für schnelle Funkenfolgen mit einigen hundert Hz. Die Ausgangsspannung betrug etwa 2 000 V für 2 Löschfunkenstrecken, entsprechend etwa 100 Watt HF-Leistung. Der Notsender war für Eingangsspannungen von 110 V= (Bordnetz) und 32 V= aus Akkumulatoren ausgelegt Getastet wurde der Notsender mit einer gesonderten Morsetaste im Niederspannungskreis, in dem sich auch ein Regelwiderstand für das Einstellen einer tonreinen Ausgangsspannung befand. Andere
Systeme ziehen nach
Marconi, der die Überlegenheit der Wienschen Stoßerregung und der Löschfunkentechnik erkannte, erreichte eine schnelle Funkenfolge mit Stoßerregung des Antennenkreises mit rotierenden Funkenstrecken. Ähnlich wie Fessenden (USA) und Aysenstein (Russland) ließ er etwa ab 1908 bei Sender-Eingangsleistungen von 1 bis über 30 kW (HF-Leistungen etwa 0,3 bis 20 kW) bei seinen Scheibenentladern eine Metallscheibe mit radialen, stabförmigen Zinkelektroden (z. B. 16) an 2 scheibenförmigen Elektroden vorbeirotieren. Bei größeren Leistungen wurde eine Entladerscheibe von 1,3 m Ø mit 24 seitlichen Nockenpaaren benutzt, die mit 2 000 bis 3 000 U/min rotierte. Der Ton von Stationen mit rotierenden Elektroden war trompetenartig, der von Telefunkenstationen mehr flötenartig.
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