Seefahrtsbuch
mit An- und Abmusterungsvermerken
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Bei
einem Freund fiel mir vor einigen Wochen das Seefahrtsbuch seines Grossvaters
Joh. Carl Friedr. RUHLE, geb. am 7. November 1878 in die Hände.
Das Seefahrtsbuch wurde am 13. September 1901 in Hamburg ausgestellt, es
trägt die Nummer 6653 und kostete 25 Pfennig.
Der
erste Eintrag: Am 14. September 1901 musterte Friedrich Ruhle für
eine Heuer von 25 Mark monatlich als Kochsmaat auf dem Dampfschiff "Deutschland"
der Hapag an. Als Kapitän wird Adolph Albers genannt.
Die
"Deutschland" war im Januar 1900 beim Stettiner Vulcan für die
Hapag vom Stapel gelaufen, gut 16000 BRT groß, 208 Meter lang und
12,5 Millionen Mark teuer. Sie war größer als die vergleichbare
"Kaiser Wilhelm der Große" vom Norddeutschen Lloyd in Bremen und
auch auf Anhieb schneller. Neu an der "Deutschland" war, daß fast
die Hälfte aller Kabinen für Passagiere 1. Klasse vorgesehen
sind. Von einer Glaskuppel gekrönt, reckt sich der Speisesaal durch
mehrere Decks in die Höhe.
Kapitän
A. Albers |
Schon
auf seiner Jungfernreise im Sommer 1900 stellte der Schnelldampfer die
Konkurrenz in den Schatten. Für die schnellste Reise auf der Westroute
nach New York errang die "Deutschland" wurde mit fast 22,42 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit
das "Blaue Band". Sie hatte die 3044 Seemeilen von Eddystone
nach Sandy Hock in 5 Tagen, 15 Stunden und 46 Minuten zurückgelegt.
Sie verbesserte die eigene Bestmarke noch 3 Mal und lief am 8. September
1903 sogar mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,15 Knoten von
Cherbourg nach Sandy Hock.
Doch
so etwas war teuer. Die "Deutschland" benötigte 250 Mann Maschinenpersonal,
in ihren 16 Kesseln verbrannten täglich 574 Tonnen Kohle. Um einen
solchen Dampfer von 20 auf 23 Knoten zu beschleunigen, brauchte man genausoviel
Brennstoff wie von 0 auf 15 Knoten. Die Rekordhalterin vibrierte
trotz einiger Umbauten so enorm, daß die Passagiere sie bald als
"Cocktailshaker" bezeichneten. Die Sommersaison 1902 verbrachte sie
überwiegend im Dock. Bei starkem Seegang waren am 22. April 1902
Ruder und Achtersteven zerstört worden. Es war Kapitän
Adolph Albers jedoch gelungen, das Hapag-Flaggschiff, allein mit den Schrauben
manövrierend, sicher nach Cuxhaven zu bringen. Kapitän
Albers hatte 6 Tage und Nächte die Brücke nicht verlassen, als
Albert Ballin sofort nach dem Festmachen an Bord kam um Dank und Lob der
Reederei zu überbringen. Albers verabschiedet sich mit den Worten:
"God Nacht, jetzt wüllt wi erst mol 'n beeten slopen!". Im nächsten
Moment bricht er zusammen und stirbt.
Während
eines erneuten Umbaus im Jahre 1920 geriet sie in Brand, wurde schwer beschädigt
und in "Hansa" (16376 BRT) umbenannt. Das einst so stolze Schiff tat nun
mit nur noch 2 Schornsteinen Dienst als Auswandererschiff auf dem Nord-Atlantik.
1925 wurde die einstige Trägerin des "Blauen Bandes" in Hamburg abgewrackt.
Doch
zurück zum Herbst 1901:
Trotz
des Publicity-Erfolges der "Deutschland" war für die Hapag das Zeitalter
der "Windhunde des Ozeans" schon mit diesem Schiff vorbei. 1910/11 wurde
sie zum "Vergnügungsschiff" umgebaut und in "Victoria Luise" (16702
BRT) umbenannt. Dem Schiff blieb im 1. Weltkrieg der Einsatz als Hilskreuzer
erspart. 1919 war der Zustand so schlecht, daß es nicht an die ehemaligen
Kriegsgegner abgeliefert werden musste.
Für
Kochsmaat Friedrich Ruhle gab es genug Arbeit an Bord. Hier eine Aufstellung
des für seine Reise an Bord genommenen Proviants: 1000 Block Eiscreme,
200 Dutzend Köpfe Salat, 14 Fass Austern und Muscheln, 1300 Pfund
Butter, 600 Pfund Hafermehl und Maisgrütze, 8500 Pfund verschiedenes
frisches Obst, 100 Fass verschiedene Gemüse, Tomaten und Sellerie,
1200 Dutzend Eier, 1700 Pfund Fisch, 900 Pfund Schweinefleisch, 600 Pfund
Schinken, 1300 Pfund Rindfleisch, 2200 Pfund Hammelfleisch, 1200 Pfund
Lammfleisch, 6000 Pfund Geflügel, 90 Fass Mehl, 300 Quarts Rahm, 2200
Quarts Milch, 175 Fass Kartoffeln. Für 1100 Passagiere und 560 Mann
Offiziere und Mannschaften gab es 375 Fass Bier, 3000 Flaschen Bier und
150 Kartons Weine und Liköre.
Der
1. Offizier Dreyer bescheinigt Friedrich Ruhle im Seefahrtsbuch, daß
er am 20.Dezember 1901 - nach 3 Monaten und 6 Tagen Dienst - in Hamburg
von Bord der "Deutschland" ging. Vielleicht wollte er zum Weihnachtsfest
zu Hause sein.
Es
sollte aber nur ein kurzer Urlaub werden.
Zur
nächsten Reise auf DS Kiautschou
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