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Ein Realschüler mit
Abschluss als ‘Fernsehklempner’, ein abgebrochener Gymnasiast, einer vom
Bund, der morsen konnte oder ein Elektriker. Manche kamen auch aus einem
ganz anderen Beruf, oder hatten gar keinen. Eine illustre Gesellschaft.
So einige hundert Schiffe hatte das Land. Funker waren Mangelware! Die
Ausbildung war recht solide: hohe fehlerfreie Abgabe und Aufnahme von Morsezeichen.
Ausbildung und Prüfung am Streifenschreiber ohne Mithörton. Praktische
Fertigkeiten hatten da zu sein, hier wurde nichts mehr vermittelt. Die
Kenntnisse der englischen Sprache trafen wohl das Anforderungsprofil, sie
stellten eine gute Basis dar.
Der Krieg, der Vater aller Dinge, hatte der Menschheit Radar beschert. Einige Grundlagen hierzu, mehr kam nicht. Die anderen Länder verhielten sich ähnlich abwartend: So etwas wie die Titanic, das musste vermieden werden. Also konnte man nicht auf den Funker verzichten. Vorsichtige Orientierungsversuche aus dem Funker einen Bord-Elektroniker zu machen, verliefen sich: hatte doch ein großer Teil gar keine Berufsausbildung in diesem Fach. Trotz allem, das System funktionierte. Für manch jungen Menschen eine tolle Chance, die Welt zu sehen. Alternativen wie den Ferntourismus gab es noch nicht. Man hatte Liegezeiten und die Arbeit wurde gut bezahlt. Immerhin, hier fand mancher einen Ausweg und konnte viel Geld sparen. Keine Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung. So etwas will heute erst einmal gefunden werden! Legte man strengere Maßstäbe an, so sah manches anders aus: Voraussetzungen für ein Hochschulstudium der Elektrotechnik und ein technisches Können, was selten an Bord abgefordert wurde, ließen viele nur eine kurze Zeit auf See bleiben. Berufliche Weiterbildung wurde erst zögerlich als notwendig gesehen. Technologisch gab es einen Nachlauf der Kriegsentwicklungen und Neues kam nur sehr langsam in die Seefahrt. Da gab es die “Brotkiste”, den Funkempfänger E381H. 1932 von Telefunken auf den Markt gebracht. 1934 kam die verbesserte Ausführung der E381S. Von 14,6 kHz bis 20 MHz in 10 Bereichen. Ein Zweikreiser, ein Geradeaus-Empfänger: Wer kennt so etwas noch? Schon vor dem Kriege sehr bewährt. Viele Entwicklungen, die später bedeutungslos wurden: mechanische Zerhacker. Man erinnere sich, in jenen Tagen hatten viele Autos eine 6 Volt - Batterie. Aus dieser Gleichspannung sollte dann die Betriebsspannung für ein Autoradio ‘gemacht’ werden: Waren die Ströme nicht zu groß, so war ein mechanischer Zerhacker das Richtige. So wurde auch der E566 betrieben. Häufig hatten die Schiffe ja als Bordspannung 220 V Gleichspannung. Diese “Gleichstrom-Schiffe” hatten es in sich. Die Controler für die Winschen wurden ja beim Laden oder Löschen mit eigenem Geschirr von einer Land-Gang gefahren. Wenn nun diese Controler zu zögerlich bedient wurden, so bildete sich ein Lichtbogen und die Kohle, die den Kontakt zu der Kupferschiene bilden sollte, schmolz in diesem Lichtbogen regelrecht ab. - “Hatch Number Three, Stop-Time!” Manchmal habe ich dem Blitz geholfen, die Deck-Elektrik zu reparieren. Viele Seeleute hatten als Rundfunkgerät die "Philetta" in Gebrauch: das beliebte Konfirmationsgeschenk in den 50er Jahren. Quecksilberdampf-Gleichrichterröhren, Allstromempfänger, U-Röhren und vieles, was später wieder verschwand. Man erinnere sich an den Starfighter F104-G, er hatte einen analogen Waffenrechner. Die Elektronik, in den 60er Jahren benutzt, wurde natürlich in den 50ern konzipiert. Damals hatte man auch Subminiaturröhren, eine Entwicklung, die später völlig beendet wurde. Trickreich die Modulation des Mittelwellensenders. Ein 500 Hz-Umformer lieferte die hohe Modulationsleistung bei Anoden-Schirmgitter-Modulation: jetzt konnte “Telegrafie tönend” gesendet werden. “Sie haben 220 V Wechselspannung und unser Passagier hat einen Rasierer für Wechselspannung: also bitte!” So mein Kapitän. Wie man aus Gleich- Wechselspannung macht, das wusste er also - dass der Braun-Rasierer einen Schwing-Ankermotor besaß, der bei höherer Frequenz der Wechselspannung immer “besser” rasierte, das wusste er nicht so ganz. Die gebrochenen Federn im Rasierer überzeugten später dann beide. Mit diesem Notstrom-Umformer, im Leerlauf betrieben, entlud ich dann die 24 V Notstromquelle bis zu einer definierten Entladespannung. Dann konnte man mit einem kleinen Strom und einer langen Ladezeit die Batterien pfleglich wieder aufladen. Mit solchen Argumenten begegnete ich dem Alten, der mir im Hafen einen freien Tag geben wollte. Diese Umformer, sie waren eigentlich überall eingebaut: im Schreibtisch der Seefunkstelle, im Maschinenraum an unmöglichen Stellen, im Schornstein und nur einmal, sehr komfortabel, in einem eigenen Umformerraum. Eine beliebte Prüfungsfrage: “Wie pflegen Sie die Umformer?” - “Ich pflege ihnen aus dem Wege zu gehen!” Und Leinen los – längst war die Brücke mit Wetterberichten versorgt: für den Kanal den Wetterbericht von Norddeich auf der 2614 kHz – zusätzlich den Wetterbericht von BBC, Radio 2, The Light Programme – damals noch auf 200 kHz, Droitwich – einmal um die Britischen Inseln. Vor dem Auslaufen noch die Nautischen Warnnachrichten. Dann die Traffic List von Norddeich. Waren ausländische Passagiere an Bord, so lohnte es auch noch, andere Küstenfunkstellen zu hören. Der Bedienteil des VHF Lorenz SEM7 konnte wahlweise in der Seefunkstelle oder auf der Brücke neben dem Radar angeschlossen werden. Längst hatte er seinen Platz auf der Revierfahrt neben dem Radargerät. Dem Kapitän war die SeeFuSt. klar gemeldet worden: Das Automatische Alarmgerät war geprüft worden. Das tragbare Funkgerät für Rettungsboote war in Ordnung. Die Antennen waren betriebsklar aufgebracht. Prüfeinrichtungen, Reserveteile und Werkzeuge waren vollzählig. Die Notstromquelle hatte unter Last 24 V und die Säuredichte war 1,28 g/cm³. Man tat gut daran, lose Gegenstände in der Seefunkstelle und in der Kammer festzusetzen: Schließlich‚ hauste man ganz oben und die Auslenkung des Schiffes beim Rollen war hier am größten. Zwei holländische Piratensender: Radio Veronica, 1560 kHz und Radio Caroline auf 1185 kHz wurden von uns Seeleuten gerne gehört. Sender, auf Schiffen installiert, und vor der Küste, außerhalb der Hoheitsgewässer, betrieben. Später auch noch “Radio Nordsee International” auf 262 Meter. Eines dieser Schiffe geriet einst in Seenot: der Mittelwellensender wurde abgeschaltet und das jetzt nur noch Schiff, rief nach den Regeln der Radio Regulations um Hilfe. Diesen Sendern haftete der Reiz des Verbotenen an, sie machten ein flottes Programm. Daneben aber auch Radio Luxemburg – „The Station of Your Stars“ – auf 1440 und 6090 kHz war auch sehr populär. Europawelle Saar auf 1580 kHz war weit im Atlantik aber auch gut im Mittelmeer zu hören. Der Deutschlandfunk auf Mittelwelle und auch auf 151 kHz rundete das Programm ab. Dann natürlich noch die Deutsche Welle - auf 11785 kHz gut empfangbar - lese ich in alten Aufzeichnungen. Eine Antennenanlage für den Rundfunkempfang war meist nicht vorhanden. War sie doch da und das Schiff nicht gerade ein Neubau, so war sie oft kaputt. Außenantennen durften die Seeleute nicht bauen. Das beeinträchtige den Navigationsfunk, so argumentierte man damals. Im Kanal waren die englischen Küstenfunkstellen mit Wetter und nautischen Warnnachrichten präsent. Das taten die französischen Küstenfunkstellen zwar auch, aber meist nur in französischer Sprache. Mein Kapitän schaute mich aus dunklen Augen an als ich sie ihm vorlegte. The White Cliffs of Dover, die Isle of Wight: Niton Radio/GNI und Land’s End Radio/GLD bekamen noch ein TR. Und mit Land’s End verschwand Europa aus dem Blickfeld. Lange noch, fast bis Mitte Atlantik konnte man die beiden irischen Küstenfunkstellen EJM und EJK, Malin Head und Valentia Radio arbeiten. Ihr Verkehrsaufkommen war klein, aber sie machten eine gute Hörbereitschaft. Es schienen sich Zeit und Raum zu vereinen, wenn die europäischen Küstenfunkstellen im Rauschen untergingen. Schließlich aber auch nachts auf der 500 kHz nur noch das große Rauschen. Wie ein kleiner heller Flecken, der auf dem Übersegler eine Spur nach Westen zog. Fühlte man sich zu sehr alleine, so brachte einem das Schalten der Kurzwelle die Welt zurück: 8 MHz ging meist; war die Tagesdämpfung zu groß, so gingen 12 oder 16 MHz immer. Die Frequenzen im 4, 6 oder 22 MHz-Band wurden eher selten in der Nordatlantikfahrt benutzt. Meist waren die Schiffe der
Linienfahrt „Wetterschiff“, so hatte man mit seinen Wettertelegrammen,
den „OBS"en, immer schnell QSO mit DAN. MSG’s und der private Telegrammverkehr
wurden angehängt – man brauchte auf Kurzwelle nie lange warten, man
war immer QRY 1. Sonntagabends liefen auf einer der V-Schleifen immer die
Ergebnisse der Fußball-Bundesliga, sie gingen in die Messen, wusste
die Besatzung doch jetzt, sie hatte einen Funker. Dann schaltete man in
der letzten Wache noch die zweite Arbeitsfrequenz der Kurzwelle für
die Reedereiperiode. Mit einer Reihe V’s und seinem Rufzeichen stellte
man sich vor und drehte dann über das schmale Band der zweiten Arbeitsfrequenzen
für Antworten. TR’s und Mannschaftslisten wurden jetzt im Duplexverkehr
ausgetauscht. Die Crew sah jetzt, wo welche Kollegen fuhren. Hatte der
letzte Funker hier wenig getan, so war die eigene Aufwertung natürlich
hoch. Gut erinnerte ich meine erste Reise ohne Kurzwelle in der weltweiten
Trampfahrt: Die DAAD-Perioden am Ende der Hörwache auf der 480 kHz
wurden oft geschaltet. Die Telegramme zur weiteren Übermittlung quittierte
ich meist mit cons deld – consider as delivered. Nur einmal musste ich
passen: ein deutscher Kollege auf einem schwedischen Schiff bat um QSP
Sweden – zu viele schwedische Sonderzeichen in Morsetelegrafie.
1957 sank das deutsche Segelschiff PAMIR. In den Küstenregionen hatten viele Menschen Kontakte zu Familien, wo jemand auf diesem Schiff fuhr. Es war aber auch eine Anzahl von englischen Jungen an Bord. Im Rahmen einer Urlaubsvertretung wurde das Schiff von einem Navigationslehrer der Lübecker Seefahrtschule geführt. In St. Jacobi in Lübeck, der Kirche der Seefahrer, ist das Rettungsboot der PAMIR zu sehen. Ohne den großartigen Einsatz der US Navy wären die Leute nicht gerettet worden. Später, die geretteten jungen Kadetten an Bord des US-Schiffes: ergreifende Bilder, die um die Welt gingen. Sehr genau wurde während der Funkausbildung der Funkverkehr der PAMIR behandelt. Zwar sollte das Aussenden
überflüssiger Zeichen vermieden werden, aber die Funker sollten
sich doch ‚unterhalten’. So versuchte ich immer zu einem Überblick
zu kommen, wer im Bereich meiner Mittelwelle fuhr. Die Reichweite des Mittelwellensenders
entsprach ziemlich gut dem Bereich, wo bei einem Schiffsunglück noch
effektive Hilfe geleistet werden konnte.
In der Nordatlantikfahrt
interessierten eigentlich nur die Wetterberichte von
NSS und GKC. Die Analyse mit den Druckgebilden, den Fronten und Isobaren
wurde als Zahlencode in Morsetelegrafie gegeben. Meist zeichnete ich auch
die Wetterkarte auf einem A3-Vordruck des Wetterdienstes. Ältere Nautiker
berichteten, sie hätten Funker erlebt, die die Analyse-Informationen
gleich in die Wetterkarte einzeichneten. - Wie die Isobare an der Front
„sprang“ – von der Wetterbeobachtung bis zur Auswertung durch die Nautiker
lagen doch einige Stunden. Toll aber wie „Wetter-Kapitäne“ mit dem
Barometer das Durchfahren der Front sahen. 934 mBar war der tiefste Luftdruck,
den ich im Nordatlantik erlebte. Den Nordwest-Quadranten eines Hurrikans
habe ich nie erlebt. In Millimeter oder gar Inch Quecksilber konnte ich
einfach nicht „denken“. Auch die Windstärke mochte ich nur in der
BFT-Skala. Wurde sie anders angegeben, so musste ich im Nautischen Funkdienst,
Band 3, das umschlüsseln. Deutschland und Frankreich sendeten eigene
Ozeanwetterberichte aus: bei den Nautikern waren sie wenig geschätzt.
Wie sollten sie auch, die USCG flog mit ihren Flugzeugen durch das Auge
von Hurrikans, die USA und Groß Britannien stellten die ersten Ozean-Wetterschiffe.
Die Geschichte des Wetterfunks ist unglaublich interessant.
Die Kante, diesseits die
sichere Geborgenheit, die Wärme, das Licht - jenseits der Tod: Auszug
aus dem Funktagebuch der SFuSt. Hella Groen/DBHG Auf Seite 5659121 befindet
sich folgender Eintrag:
Das Schiff durchfuhr die
Karibik. Längst wurde das Rauschen der 500 kHz unterbrochen durch
den Funkverkehr mit fremden Küstenfunkstellen und exotischen Rufzeichen.
Spannend das Treiben auf der Brücke und die Suche nach Land am Horizont:
es stimmte tatsächlich, man konnte das Land riechen. Auch sah man
gelegentlich kleine Dinge im Wasser treiben. Meinen eigenen Landfall, den
in Äther auf der 500 kHz, den hatte ich aber schon Tage vorher erlebt.
Bericht: Urheber gem. Urh.G.: Günter Klepke Bildnachweis: Alle Fotos (2) Urheber gem.§7 Urh.G.: Heinrich Busch, Berne |