Der Untergang der "Hans Hedtoft" / OXKA (I)
Eine Tragödie in eisiger See.
von Rolf Marschner, DL9CM  -  Quelle: Thomas Kämpf

Im Jahr 1999 jährte sich zum 40. Mal der Untergang der „Hans Hedtoft“. Das Schiff, 2875 BRT groß, 1959 von der Königlich Dänischen Handelsgesellschaft, einer staatlichen Behörde, in Dienst gestellt, war der Stolz der Königlich Dänischen Grönlandverwaltung. Das Schiff war für die Fahrt in arktischen Gewässern durch Verstärkung von Bug und Rumpf sowie mit modernsten navigatorischen Hilfsmitteln besonders ausgestattet. 
Seitenriß der „Hans Hedtoft“
deutlich erkennt man die wasserdichten Schotten.
Der Rumpf war in sieben Räume eingeteilt, die durch Schotten geschlossen werden konnten. An Bord befanden sich vier Gummirettungsboote, drei Rettungsboote aus Leichtmetall sowie eine Motor- jolle. Es war in dänischen Schiffahrtskreisen zugleich aber auch das meistdiskutierte und meistkritisierte Frachtschiff. Zahlreiche Schiffbau- experten sagten bei den Probefahrten der „Hans Hedtoft“, sie sei falsch konstruiert worden, rolle zu tief, und es sei gefährlich, sich mit dem Schiff in die Gewässer Grönlands zu begeben. Der Kapitän des Schiffes, der 58 Jahre alte P.L. Rasmussen, galt als ein erfahrener Seemann, der seit 30 Jahren die Gewässer um Grönland befahren hatte.
Der Verlust der „Hans Hedtoft“ ist eine der größten Schiffskatastrophen, die die dänische Handelsmarine jemals getroffen hat. Die schwerste war der Untergang des Auswandererdampfers „Norge“ im Jahre 1904, bei dem 633 von den 800 an Bord befindlichen Personen umkamen. 1928 ging das Segelschulschiff „Köbenhavn“ mit allen 59 Besatzungsmitgliedern verloren, und 1948 stieß ein gleichnamiger Passagierdampfer vor Aalborg auf eine Mine, wobei 49 Menschen den Tod fanden.
Am 7. Januar 1959 war die „Hans Hedtoft“ von der dänischen Hauptstadt Kopenhagen zur Jungfernfahrt nach Grönland ausgelaufen. Mit einer Ladung Fisch und Stückgut trat sie am Donnerstag, den 30. Januar von Julianehaab die Rückfahrt an. Ein eisiger Orkan peitschte die Wellen hoch und zunehmende Eisfelder erschwerten die Fahrt. Einzelne Eisberge wurden gesichtet. 
Zur gleichen Zeit befand sich auch der Bremerhavener Fischtrawler „Johannes Krüss“ / DEQW in diesem Gebiet auf Fischfang vor Grönland. Schon am Freitag, den 31. Januar hatte, Kapitän Albert Sierck seiner Reederei in Bremerhaven gemeldet, daß er wegen Windstärke 10 und zunehmenden Treibeises habe stoppen müssen. Wenig später ergänzte er, daß er 16 Eisberge in Sicht habe, in einem Eisfeld treibe, sich nicht mehr halten könne und in größter Gefahr befinde.
Telegramm der "Johannes Krüss" / DEQW an die Reederei über Norddeich Radio / DAN vom 30.01.59, 13:45 GMT:

WINDSTAERKE 10 LIEGEN VOR FANGPLATZ GESTOPPT IM EISFELD STOP FANGPLATZ WEGEN EISVERMEHRUNG UND STURM NICHT ERREICHBAR STOP "FALKENSTEIN" VERLAESST FANGPLATZ NACH LABRADOR STOP LAGEENTWICKLUNG UNGEWISS STOP ERBITTE  BRINGORDER +
 

Die Reederei beorderte ihn daraufhin zum Fang unter Labrador um. Das Schiff hatte bis dahin sehr gut gefangen. Im Vorjahr war um diese Zeit in diesem Seegebiet noch kein Eis beobachtet worden. In der Nacht zum Sonnabend unterrichtete Kapitän Sierck seine Reederei, daß die „Johannes Krüss“ seit 20:00 Uhr als einziges Schiff in einen Seenotfall auf der Position 59 Grad Nord 43 Grad West verwickelt sei. Es handele sich um das dänische Passagierschiff „Hans Hedtoft“ mit 96 Personen an Bord, die im Sinken begriffen sei. Man wolle bis Tagesanbruch nach Überlebenden suchen. Telegramm der "Johannes Krüss"/DEQW an die Reederei am 31.01.59 01:00 GMT

ORDER LABRADOR ERHALTEN STOP SIND SEIT 20000 UHR ALS ALLEINIGER DAMPFER IM SEENOTEINSATZ AUF POSITION 59.30 NORD 43.00 WEST STOP DAENISCHER PASSAGIERDAMPFER "HANS HEDTOFT" MIT 130 PERSONEN IM SINKEN STOP SUCHEN BIS TAGESABBRUCH NACH UEBERLEBENDEN STOP DAMPFEN DANN LABRADOR +

Was war passiert?
Am 30. Januar 1959 um 17:18 GMT hatte der Fischdampfer „Stadt Herten“ auf der Fischereifrequenz 3282 kHz folgende, auf 500 kHz empfangene SOS-Meldung bekanntgegeben:
SOS auf 500 kHz von „Hans Hedtoft“/OXKA position 59.5 North 43.00 West collision with iceberg stop
Um 17:20 GMT rief der Funker der „Johannes Krüss“, Rudolf Nejedlo, die „Hans Hedtoft“ und bestätigte dessen Notmeldung mit R SOS und unterrichtete seinen Kapitän um 17.23 Uhr.

Um 16:45 GMT war die „Hans Hedtoft“ ca. 50 km von Kap Farvel, der südlichsten Spitze Grönlands mit einem Eisberg zusammengestoßen. Der erste SOS-Ruf lautete: Unter der Wasserlinie leckgeschlagen, Wasser dringt in den Maschinenraum ein. Das Schiff sinkt. Der letzte Funkspruch der „Hans Hedtoft“ lautete: „Hans Hedtoft“ sinkt langsam – benötigen sofort Hilfe von allen Schiffen in der Nachbarschaft. Dieser Funkspruch wurde mit dem Notsender des Schiffes abgegeben und konnte nur von der Küstenfunkstelle „Prins Christiansund Radio“/OZN und der „Johannes Krüss“ aufgefangen werden. Danach schwieg der Sender des Schiffes.
Links:  Die „Hans Hedtoft“/OXKA
Das Unglück, das sofort die Erinnerung an den Untergang der „Titanic“ wieder wachgerufen hat, die wie die „Hans Hedtoft“ auf ihrer Jungfernfahrt am 15. April 1912 ebenfalls einen Eisberg rammte und 1517 Menschen zum Grab wurde, hat in Dänemark tiefe Trauer ausgelöst und hat sich wie ein tiefer Schatten über das Land gelegt.

Über „Norddeich Radio“ erfuhr die Reederei, daß die "Johannes Krüss" sich nicht mehr durch das Eis vorwärts bewegen könne, ohne selbst in größte Gefahr zu gelangen. Das Radargerät ließe sich wegen zu dichten Schneetreibens nicht verwenden. Trotzdem ordnete der Reeder den äußersten Einsatz seines Fischdampfers an, der die Suche fortsetzen solle. Die „Johannes Krüss“ ist daraufhin erneut ins Eisfeld vorgestoßen und hat versucht, durch Eisrinnen auf die angegebene Position zu gelangen. Dabei ist sie selbst mehrmals in höchste Gefahr geraten. Sie erfuhr aber auch, daß das amerikanische Küstenwachtschiff „Campbell“ und das deutsche Fischereischutzboot „Poseidon“ im Anmarsch seien. Funker Nejedlo hatte ständige Verbindung mit der Funkstation „Christiansund Radio“ auf Grönland, von der übrigens auch die erste Positionsangabe in der SOS-Meldung als richtig bestätigt wurde. Beide haben dann letztlich vom Notsender des dänischen Schiffes über dessen Sinken gehört. Am Samstag, den 31.01. um 16.30 Uhr MEZ entschloß sich Kapitän Sierck, wegen dichten Schneetreibens und Fehlens jeglicher Sicht umzukehren, um vor der Dunkelheit aus den Eisfeldern heraus zu sein und noch bei Helligkeit den Eisrand zu erreichen, an dem er die Nacht über warten wollte.
Zwischenzeitlich waren die „Campbell“ und die „Poseidon“ am Unfallort eingetroffen. Bei Windstärke 6-7 gesellten sich noch ein US-Wetterschiff und zwei andere amerikanische Schiffe hinzu. Die „Campbell“ versuchte einen Einbruch in das Eis, konnte sich aber auch nicht halten. Die „Johannes Krüss“ wurde für die weitere Rettungsaktion dem Kommandanten der „Campbell“ unterstellt, der den deutschen Fischdampfer aber entlassen konnte, da die vorhandenen Schiffe für die weitere Suchaktion ausreichten. Dabei sprach der Kommandant der deutschen Besatzung Dank und Anerkennung für den Einsatz aus.
Gegen 21:00 Uhr ging die „Johannes Krüss“ daraufhin auf Kurs Labrador, Funker Nejedlo beobachtete aber weiterhin die Seenotfrequenz. Bis zum Nachmittag des Sonntags wurde jedoch nichts mehr gehört, obwohl auch die Notfrequenzen nach etwaigen Rettungsboot-Notsendern abgehört worden waren.

Unter den 55 Passagieren der „Hans Hedtoft“ befanden sich auch 15 Frauen und sechs Kinder im Alter zwischen einem Jahr und elf Jahren. Zu den 40 Besatzungsmitgliedern gehörten vier Stewardessen.

Dreißig Stunden hatte die „Johannes Krüss“ im grönländischen Packeis nach Schiffbrüchigen und Trümmern der „Hans Hedtoft“ gesucht. Immer in der Gefahr, bei schwerem Sturm und dichtem Schneetreiben selbst einen der zahlreichen Eisberge zu rammen. Als man sie schließlich entließ, dampfte Kapitän Sierck zu den Rotbarschgründen bei Labrador und fischte fünf Tage lang mit gutem Erfolg. Am letzten Fangtag, dem 8. Februar, um 19:00 Uhr, die Besatzung schloß bereits die Luken, nur das Geschirr hing noch außenbords, weil es vereist war, spielte das Schicksal dem Fischdampfer selbst übel mit. Ein schwerer Brecher riß zwei Matrosen über Bord. Der liebe Gott aber hielt den Daumen dazwischen, wie die Seeleute zu sagen pflegen. Beide konnten gerettet werden, obwohl der Sturm mit Stärke 10-11 tobte.
Bei der Rückkehr nach Bremerhaven, das Eintreffen verzögerte sich infolge starken Nebels auf der Weser um zweieinhalb Stunden, wurde die „Johannes Krüss“ vom Vertreter des Bremer Senats, des dänischen Honorarkonsuls in Bremen und des Verbandes der Deutschen Hochseefischerei empfangen. Alle sprachen Kapitän Sierck und der Besatzung ihren Dank für den selbstlosen Einsatz aus.

Vom König in Audienz empfangen
Kapitän Sierck wurde später in Schloß Amalienborg zusammen mit dem deutschen Botschafter Dr. Feine vom dänischen König Frederik IX. in außerordentlicher Audienz empfangen. Der König hatte gewünscht, den tapferen Kapitän des deutschen Trawlers persönlich kennenzulernen. Als Zeichen der Anerkennung verlieh er ihm das Ritterkreuz des Danebrogordens.
Das dänische Grönlandministerium lud Reeder Helmut Kämpf und Kapitän Sierck zu einem Gedächtnisgottesdienst für die 95 Opfer der „Hans Hedtoft“ in der Kopenhagener Marinekirche ein.
Das großzügige Angebot eines dänischen Hoteliers auf der Nordseeinsel „Fanö“ war bei der Reederei eingetroffen, dieser hatte die Besatzung der „Johannes Krüss“ eingeladen, ihren Urlaub in seinem Hotel zu verbringen.

Mystische Morsezeichen
Am zweiten Februar 1959 wurden zwischen 01:56 und 01:58 Uhr von der Funkstation „Julianehaab Radio“/OXN Funkzeichen auf der Frequenz 520 kHz aufgenommen. Man vermutete, daß die Funkzeichen von einem Rettungsboot der untergegangenen „Hans Hedtoft“ kamen. Die Funkzeichen konnten jedoch nicht gedeutet werden. Man glaubte, daß ein Geretteter den Sender bedient hat. Die mystischen Funkzeichen wurden nicht nur in Julianehaab, sondern auch von anderen Stationen gehört. Zwischen 02:51 und 02:54 Uhr wurden die Signale wiederholt, seitdem hat man nichts mehr gehört.

Godthaab, 3.2.1959
Das Rätsel um die mysteriösen Morsezeichen ist gelöst. Das Grönland-Kommando in Grönnedal glaubte nicht, daß die Morsezeichen, die von mehreren Funkstationen empfangen wurden, von einem Sender eines der Rettungsboote des untergegangenen Schiffes „Hans Hedtoft“ in den Äther gesandt wurden. Die Peilzeichen wurden auf 522 kHz gegeben. Die Marinestation ist der Ansicht, daß die Signale von dem amerikanischen Küstenwachschiff „Campbell“ gesendet wurden. Es ist nämlich festgestellt worden, daß es sich um das Rufzeichen dieses Schiffes handelt und zwar um „NRDC“, die „Campbell“ hat auch zu den gemeldeten Zeitpunkten 522 kHz als Peilfrequenz benutzt.

Seit der „Titanic“-Katastrophe gibt es eine ständige Beobachtung. Gewöhnlich meldet die „Internationale Eispatrouille“ die ersten Driften großer Eismassen erst Ende Februar Anfang März. Dieser Warndienst konzentriert sich haupsächlich auf die stark befahrenen Nordatlantik-Routen. Die „Hans Hedtoft“ stieß mit einem Eisberg in einem Gebiet zusammen, das außerhalb der Kontrollzone liegt. Dieses Gebiet ist vor allem von starken Packeisfeldern überzogen. 300 bis 400 Eisberge im Jahr werden im Nordmeer beobachtet. In manchen Jahren allerdings können es bis zu tausend sein. Weiß, bläulich und grünlich schimmernde Gebilde sind es, zerklüftet und zerhackt. Bis sie auf den normalen Schiffahrtsrouten auftauchen vergehen meist zwei bis drei Jahre. Der Eisberg der damals der „Hans Hedtoft“ zum Verhängnis wurde, dürfte allerdings wesentlich jünger gewesen sein. Man weiß nicht wie groß er war. Der größte Eisberg, der jemals im Nordmeer gesichtet wurde, war 85 km lang. Er hatte die Form eines lateinischen L, dessen längerer Arm 48 km maß. Bedenkt man, daß nur ein Siebentel des Eisberges aus dem Wasser hervorragt, kann man sich ungefähr die wirkliche Größe solcher Eisinseln vorstellen.


Chronologie eines Rettungsversuchs
Bericht des Kapitäns Sierck an die Reederei Kämpf, Bremerhaven.
Alle Zeitangaben in GMT
Am 30. Januar 1959, 17:18 Uhr meldet Fischdampfer „Stadt Herten“ auf der Fischdampferfrequenz 3282 kHz stop: .. SOS auf 500 kHz von „Hans Hedtoft“/OXKA position 59.5 North 43.00 West collision with iceberg stop

17:20 Uhr „Johannes Krüss“/DEQW an OXKA R SOS stop
Meldung an Kapitän 17:23 Uhr stop

Melde an alle Fischdampfer unsere Position 59.25 Nord 42.30 West stop Funkmeldungen der Fischdampfer wurde entnommen, daß DEQW der naheste Dampfer an der Unfallstelle war stop
17:30 Uhr DEQW an Fischereischutzboot „Poseidon“/DBFQ Dampfen Unfallstelle benachrichtiget „Hans Hedtoft“ und „Prins Christiansund Radio“/OZN – „Johannes Krüss“ kann nur 2182 kHz Telefonie kommen, höre aber 500 kHz stop

OZN wiederholt laufend „SOS“-Meldung stop
17:55 Uhr auf 500 kHz „Poseidon“ an „Hans Hedtoft“ und „Prins Christiansund Radio“ called German Trawler „Johannes Krüss“/DEQW on position 59.25 North 42.30 West he will give assistance to you lsn fone 2182 kcs stop
18:04 Uhr „Hans Hedtoft“ this is German Trawler „Johannes Krüss“/DEQW – answer 500 kcs stop
„Hans Hedtoft“ an DEQW QRK ok stop
18:06 Uhr DEQW an OXKA „Mayday“ we are on the way to your position speed about 10 miles please give QTG on 500 kcs stop
18:00 Uhr peile OXKA 237 Grad rechtweisend stop
18:11 Uhr an „Hans Hedtoft“ we bearing you 237 degrees stop
18:12 Uhr OXKA an DEQW capt says there is plenty of ice here around us please tell Poseidon to proceed assistance to us. Ship is sinking much water in the engineroom and we have a lot of passengers here about 90 with crew. Sie können deutsch sprechen stop
18:15 Uhr DEQW an OXKA. Ok Fahrt ungefähr 10 Seemeilen hohe See Schneeböen und schlechte Sicht.
18:25 Uhr OXKA an DEQW wollen Sie wieder peilen? stop DEQW an OXKA ok QTG stop
18:28 Uhr DEQW an OXKA wir peilen Sie 235 Grad
18:36 Uhr OXKA an DEQW werden Sie OXN mal peilen? stop DEQW an OXKA ok wir peilen stop
18:45 Uhr OZN wiederholt SOS-Meldung laufend stop
18:52 Uhr OXKA an DEQW Kapitän sagt wir peilen OXN rechtweisend Nord stop DEQW an OXKA ok wir peilen OZN 345 Grad rechtweisend stop
18:57 Uhr an OXKA wir peilen Sie 220 Grad. Haben Sie viel Eis? Stop
19:10 Uhr OXKA an DEQW wir haben viel kleinere Stücke aber keine Berge stop 19:11 Uhr an OXKA .. wir haben sehr hohe See wenig Sicht durch Schneeböen stop
19:15 Uhr DEQW an OXN .. sind auf dem Wege zu „Hans Hedtoft“, wohl noch 1 bis 2 Stunden, Schnee, Schneeböen hoher Seegang und Eis behindern die Fahrt. Fahrt cirka 10 Seemeilen stop
19:36 Uhr DEQW an OXKA Peilzeichen stop
19:38 Uhr an OXKA .. Peilung 221 Grad
19:40 Uhr OXKA an DEQW .. Ok Kapitän sagt nichts zu vermerken stop
19:41 Uhr DEQW an OXKA. Können Sie Raketen feuern? Stop OXKA .. Ja stop 20:06 Uhr an DEQW .. Senden jetzt Raketen stop
Meldung an Kapitän, daß „Hans Hedtoft“ Raketen feuert stop
20:14 Uhr an DEQW. Gesehen? Stop an OXKA .. nein stop an DEQW .. nächste in 10 Sekunden stop Meldung zur Brücke Achtung Rakete stop
20:15 Uhr an DEQW .. Gesehen? Stop an OXKA .. nein stop
20:16 Uhr an OXKA .. Haben Sie noch Licht? Stop an DEQW .. nein stop
20:21 Uhr an OXKA .. Können Sie unsere Scheinwerfer sehen, wir leuchten hoch in den Himmel stop an DEQW .. können nicht sehen stop
20:30 Uhr an OXKA .. Bitte Peilzeichen stop an OXKA .. Peilung 226 Grad stop an DEQW ok stop
Anmerkung:
„Johannes Krüss“ muß jetzt die von „Hans Hedtoft“ angegebene Position 59.5 Nord 43.00 West erreicht haben. Von „Hans Hedtoft“ aber nichts zu sehen. Starke Sichtbehinderung durch Schneeböen viele kleinere Eisberge und Eis stop
20:41 bis 20:45 Uhr OXKA an DEQW .. Haben gerade OXN gepeilt 176 Grad, wir sinken langsam stop an OXKA .. Es ist viel Eis hier sehr schlechte Sicht viel Schneeböen stop
21:00 Uhr rufe OXKA wegen Peilzeichen – keine Antwort stop
21:03 rufe OXKA – keine Antwort stop
21:06/07 Uhr höre auf 500 kHz schwache und teils verzerrte „A2“-Striche stop rufe auf Telefonie „Hans Hedtoft“ sind Sie das? Stop keine Antwort stop
21:08/09 Uhr höre wieder einige schwache und teils verzerrte „A2“-Striche stop rufe wieder, „Hans Hedtoft“ sind Sie das? Stop keine Antwort stop

... soweit der Funkverkehr „Johannes Kruess“/DEQW mit „Hans Hedtoft“/OXKA = Kapitän


Über die Wetter- und Eisverhältnisse während der Suchaktion
nach dem dänischen Motorschiff „Hans Hedtoft“
vom Freitag, dem 20. Februar 1959

Allen ist das tragische Unglück des dänischen Motorschiffes „Hans Hedtoft“ noch in frischer Erinnerung. Es sank am 30. Januar 1959 in unmittelbarer Nähe von Kap Farvel nach Kollision mit einem Eisberg. 54 Passagiere und 38 Besatzungsmitglieder fanden in den eiskalten Fluten des nördlichen Atlantischen Ozeans den Tod. Sie sind ein Opfer der entfesselten Naturgewalten geworden.
Die Wetter- und Eisverhältnisse Ende Januar und Anfang Februar bei Kap Farvel haben die Suchaktion nach Überlebenden des gesunkenen Schiffes auf das stärkste behindert und an das seemännische Geschick der beteiligten Suchfahrzeuge größte Anforderungen gestellt. Zur Zeit des Unglücks war das ostgrönländische Eis infolge der orkanartigen nördlichen Winde im raschen Vordringen nach Süden. Der an der Suchaktion maßgeblich beteiligte deutsche Fischdampfer „Johannes Krüss“ wurde am 31.01.1959 durch die südwärts driftenden Eismassen zum ständigen Ausweichen nach Süden hin gezwungen, nachdem er noch zunächst in der vorangegangenen Nacht bei stürmischem Wetter inmitten des Eises die am 30.01. begonnene Suche in der Umgebung der Unfallstelle – ungeachtet der eigenen Gefahr – fortgesetzt hatte. Nach Funkmeldungen des Fischdampfers „Johannes Krüss“ war die Südgrenze des Eisfeldes um 07:00 GMT des 31.01.59 bereits bis etwa 40 Seemeilen südlich der Unfallstelle vorgedrungen. Um 10:30 GMT hatte sich das Eisfeld nach einer Funkdurchgabe des gleichen Schiffes bereits wieder verdichtet und um weitere 20 Seemeilen nach Süden ausgebreitet. Das ebenfalls zur Unfallstelle eilende Fischereischutzboot „Poseidon“ machte um 16:30 GMT des gleichen Tages auf einer etwa 65 Seemeilen südlich von Kap Farvel gelegenen Position neben einer größeren Zahl von Growlern 7 mittelgroße Eisberge aus, deren Zahl sich bis zu den Abendstunden auf etwa 20 erhöhte. Erst als am Abend des 31.01.1959 Südsturm aufkam, driftete das Eis wieder aus dem eigentlichen Suchgebiet heraus, so daß ab 02.02.59 über der freien See in diesem Gebiet Eis nicht mehr beobachtet worden ist.
Zu der Behinderung der Suchaktion durch das Eis in den entscheidenden Stunden und Tagen nach dem Unglücksfall traten noch die widrigen Wind- und Seeverhältnisse, die sich an Hand der Beobachtungstagebücher der Bordwetterwarte des Fischereischutzbootes „Poseidon“ weitgehend rekonstruieren lassen. Die „Hans Hedtoft“ hatte am 30. Januar um 1200 GMT, also fünf Stunden vor dem Unfall, in ihrem Wettertelegramm bei mäßigem Schneefall Nordnordwest 5 gemeldet. Danach wurde das Wetter im Gebiet von Kap Farvel rasch schlechter. Der Fischdampfer „Johannes Krüss“, der sich nicht weit von der Unglücksstelle befand, beobachtete zur Zeit des Unfalles bereits Nordnordwest bis Nord 10 bis 12 Beaufort.
Das Fischereischutzboot „Poseidon“ lag am 30. Januar nachmittags 200 Seemeilen südlich der Unfallstelle beigedreht in einem schweren, orkanartigen Nordweststurm mit Windstärken gleichfalls 10 bis 12 Beaufort; die Wellen waren im Mittel 11 Meter hoch. In der Nacht zum 31. Januar ließ der Orkan allmählich nach. Nachdem die „Poseidon“ den Unfallsraum am 01.02. erreicht hatte, kam abends nunmehr Südsturm 8 bis 10 Beaufort mit mittleren Wellenhöhen von 10 bis 11 Metern auf. Erst im Laufe des 3. Und 4. Februar ließen die Winde und Wellenhöhen zeitweise stärker nach, so daß die im Verein mit anderen Schiffen und Flugzeugen durchgeführte Suchaktion intensiviert werden konnte. Unter alleiniger Berücksichtigung der mittleren Windstärken (ohne Einschluß der Böenstärken) wurden während des Zeitraums vom 30.01. bis 03.02.1959 in fast 90% der dreistündlichen Beobachtungen der Bordwetterwarte des Fischereischutzbootes „Poseidon“ Windstärken von 6 Beaufort und mehr und in fast 55% Windstärken von 8 Beaufort und mehr beobachtet. Die Wellenhöhen während des genannten Zeitraumes betrugen in über 50% der Beobachtungen 7 Meter und mehr. Diese nüchternen Zahlen lassen erkennen, wie stark die wetterbedingte Behinderung der Suchaktion war, der im Fall einer ruhigen Wetterlage vielleicht ein Erfolg beschieden gewesen wäre.
Bordmeteorologe Dr. Brogmus
Auf Fischereischutzboot „Poseidon“


Funker Nejedlo hatte 36 Stunden an seinen Funkgeräten gesessen, daß man von der „Hans Hedtoft“ nichts mehr gefunden hat, führt er darauf zurück, daß das dänische Schiff in dem heftigen Orkan wahrscheinlich ein erhebliches Stück, vielleicht 25 Seemeilen, von seiner zuletzt angegebenen Position abgetrieben worden ist und dann plötzlich wegen starken Wassereinbruchs unterging. Wir erreichten die von der „Hans Hedtoft“ angegebene Position wenige Minuten nach dem letzten Notsignal; aber da war von dem Schiff nichts zu sehen. Obgleich wir bis gegen 22:00 Uhr GMT an der Unglücksstelle kreuzten, konnten wir nichts entdecken. Mit Scheinwerfern suchten wir das ganze Gebiet ab und hielten Ausschau nach Rettungsbooten und Überlebenden. Mit schwerem Herzen verließen wir schließlich die eigentliche Unglücksstelle. Die Lage war äußerst gefährlich. Wir waren auf allen Seiten von Eisbergen umgeben und mußten mit äußerster Vorsicht navigieren. Kurz vorher hatte die „Johannes Krüss“ seiner Bremerhavener Heimatreederei, der Hochseefischerei Carl Kämpf, mitgeteilt, man habe in dem Seegebiet 16 Eisberge gesichtet.

Anmerkung:
Im Jahre 1959 war das Verhältnis zwischen den Dänen und den Deutschen längst noch nicht überall gut. Der Sucheinsatz der „Johannes Krüss“ und die Worte des dänischen Kapitäns „Sie können deutsch sprechen“ haben viel dazu beigetragen, daß das Eis zum Schmelzen gebracht wurde. Während des Gedenkgottesdientes in der Marinekirche von Kopenhagen erhob sich der König, ging auf Kapitän Siercks zu, gab ihm die Hand und sagte: „Bleiben Sie ein guter Seemann“.

Übersetzung von Auszügen des Buches von Jan Schmidt über den Untergang der „Hans Hedtoft“


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Version: 16-Sep-00 / HBu