Die Inmarsat-Erdfunkstelle Raisting
Bericht © 2009: Hans-Jürgen Körner

Nur wenige Jahre dauerte die Ära der Inmarsat-Erdfunkstelle (LES = Land Earth Station) Raisting. Ende 2001 gingen dort die Lichter aus, wie drei Jahre zuvor bei der letzten, in ehemaligem Staatsbesitz befindlichen Küstenfunkstelle des terrestrischen Seefunkdienstes, Norddeich Radio. Damit zog sich das inzwischen privatisierte Unternehmen Deutsche Telekom AG nicht nur völlig aus dem Seefunkgeschäft zurück, sondern generell aus der mobilen Satellitenkommunikation, denn längst nutzen neben der Schifffahrt auch landmobile und aeromobile Funkstellen diese moderne Kommunikationsart.
Nachstehend soll die LES Raisting im Rückblick streiflichtartig beleuchtet werden. Schließlich war sie einst ebenso verlässlicher Partner der Seeschifffahrt, wie es die Küstenfunkstellen des terrestrischen Seefunkdienstes waren.
Gesamtansicht der Inmarsat-Erdfunkstelle Raisting. Im Vordergrund die Parabolantenne, links neben dem Gebäude die Antennenfarm.
Die Anfänge
Begonnen hatte das Satellitenzeitalter am 4. Oktober 1957 mit dem Start des ersten künstlichen Erdtrabanten „Sputnik 1". Dass damit ein grundlegender Wandel in der weltumspannenden Kommunikation eingeleitet werden würde, ahnten wohl zu dieser Zeit nur wenige Zeitgenossen.
Die Bundesrepublik Deutschland, zu jener Zeit immer für technische Innovationen offen, erkannte frühzeitig die Chancen einer satellitengestützten Kommunikation. Am 22. Juni 1961 unterzeichnete die Deutsche Bundespost ein Abkommen mit der amerikanischen NASA (National Space Agency) und beteiligte sich fortan an der Erforschung und Entwicklung der zivilen Nutzung des Weltraums zu Zwecken der weltumspannenden Telekommunikation.
Als Standort für die erste Erdfunkstelle wählte man die nahe des Ammersees in Oberbayern gelegene „Raistinger Wanne". Ausschlaggebend dafür war die Topografie. Die natürliche Ausbildung der Landschaft - auf der einen Seite eine Hügelkette, im Süden die Voralpen und Alpen - bot ideale Voraussetzungen für einen störungsfreien Empfang schwacher Signale aus dem Weltraum.
Ein Modell des ersten künstlichen Erdtrabanten Sputnik 1.
Mit der unter einem Radom gegen Witterungseinflüsse 
geschützten Antenne 1 begann im oberbayrischen Raisting 
das Satellitenzeitalter.
Bereits 1963 startete die Deutsche Bundespost in Raisting mit einem fahrbaren 9-m-Parabolspiegel die ersten Versuche. Ein Jahr später ging es dann mit der ersten Großantenne, später „Antenne 1" genannt, richtig zur Sache. Unter einer kugelförmigen Kunststoffhülle (Radom) mit einem Durchmesser von 49 m, die mit Pressluft unter Druck gehalten wurde, kam eine in Azimut und Elevation nachführbare Parabolantenne mit einem Durchmesser von 25 m zum Einsatz. Der Gewinn dieser Antenne betrug 58,5 / 61,5 dB bei 4 / 6 GHz. Unter dem Radom wurde später, nach der Außerbetriebnahme der Antenne, ein Museum eingerichtet, in dem eine ganze Reihe von Exponaten, aber auch Filme gezeigt wurden. Alles zusammen veranschaulichte in beeindruckender Weise die Entwicklung der zivilen Weltraumkommunikation, und zwar auch für Laien verständlich.
Als in Raisting die „Antenne 1" in Betrieb ging, gab es noch keine geostationären, also quasi fest im Weltraum stehende, sondern nur umlaufende, die Erde umkreisende Satelliten. Die Dauer einer Satellitenverbindung war daher auf die Zeit begrenzt, in der optische Sicht zum Satelliten bestand. Das war beispielsweise ein Zeitfenster von 40 Minuten. In diesem Zeitabschnitt waren Verbindungen in bester Qualität mit fernen Ländern, z. B. den USA oder Japan, möglich.
Die kommerzielle, zivile Nutzung der Satellitenkommunikation begann am 18. Juni 1965 mit dem Satelliten „Early Bird" (INTELSAT 1). Es setzte eine geradezu rasante Entwicklung ein, welche die weltumspannende Kommunikation schlussendlich völlig umkrempeln und auf neue Füße stellen sollte. Bei der Erdfunkstelle in Raisting wurden nach und nach weitere große Parabolantennen aufgebaut und in Betrieb genommen, über die das deutsche Telekommunikationsnetz mit ausländischen Netzen verbunden wurde. Neben den bestehenden kabelgebundenen Wegen, beispielsweise den Transatlantikkabeln, gab es nun hochwertige Übertragungswege über Relaisfunkstellen im Weltraum. Mit dem Einsatz von geostationären Satelliten war die Nutzungsdauer dieser Übertragungswege auch nicht mehr zeitlich auf bestimmte Abschnitte begrenzt. Vielmehr standen die Übertragungswege von nun an rund um die Uhr zur Verfügung. Sehr früh wurde die Erdfunkstelle Raisting wichtiger Pfeiler in einem von der Satellitenorganisation INTELSAT betriebenen, weltumspannenden Telekommunikationsnetz.
Übersichtskarte mit den Versorgungsbereichen der Inmarsat-Dienste A und C.
Mit Inmarsat ziehen auch mobile Funkdienste ein
Im November 1989 erhielt die Deutsche Bundespost den Auftrag für den Aufbau einer deutschen Inmarsat-Küsten-Erdfunkstelle (CES=Coast Earth Station) für den Atlantikbereich (Ost). Inmarsat (International Maritime Satellite Organization), eine damals noch zwischenstaatliche Einrichtung, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, der Seeschifffahrt ein weltumspannendes, satellitengestütztes Kommunikationsnetz zur Verfügung zu stellen.
Aufgebaut wurde die neue Inmarsat-CES auf dem Gelände der bereits bestehenden Erdfunkstelle im oberbayrischen Raisting. Das war auch recht naheliegend, da sich dieser Standort bereits bewährt hatte. Hinzu kam, dass zu jener Zeit ein Gebäude und eine Antenne, die sog. „Antenne 6“, mit einem Durchmesser von 15,5 m frei geworden waren. Diese Einrichtung diente bis dahin dem deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt "Symphonie". Gebäude und Antenne wurden kurzerhand für den neuen Verwendungszweck umgerüstet. Neben den bereits etablierten ortsfesten Telekommunikationsdiensten Intelsat (weltweit) und Eutelsat (europaweit) wurden in Raisting mit Inmarsat fortan auch mobile Dienste angeboten.
Wer vom Parkplatz neben der „Antenne 1“ zur Inmarsat-Erdfunkstelle gelangen will, muss schon einen längeren Fußmarsch in Kauf nehmen. Die Einrichtung liegt am Rande des weitläufigen Geländes, das von großen Parabolantennen mit einem Durchmesser von bis zu 32 m dominiert wird. Neben diesen gewaltigen Antennen nimmt sich die Antenne der CES mit ihren 15,5 m Durchmesser fast bescheiden aus und auch das zugehörige Gebäude ist alles andere als mächtig. Doch die Werte liegen bekanntlich im Inneren.

Die Schaltzentrale
Herzstück und damit Schaltzentrale der Erdfunkstelle ist die sogenannte „Warte“, ein Raum, gefüllt mit Bedien-Terminals und Druckern. Für jeden Dienst, bei Inmarsat „Standard“ genannt, steht eine Access and Control Equipment (ACE) zur Verfügung. Diese Bedien- und Kontrolleinrichtungen bilden die Schnittstelle zwischen den Modems auf der einen und den terrestrischen Telekommunikationsnetzen auf der anderen Seite.

Blick in die „Warte“, die Schaltzentrale der Inmarsat-
Erdfunkstelle Raisting. Jedem Inmarsat-Dienst ist eine 
Bedien- und Kontrolleinheit zugeordnet.
Gestellreihe mit den verschiedenen HF-Komponenten.
Mikroprozessoren kontrollieren und steuern den Telekommunikationsverkehr zwischen den festen und mobilen Einrichtungen. Treten Fehler auf oder fallen gar Übertragungseinrichtungen aus, erfolgt eine entsprechende Signalisierung. Das Bedienpersonal kann jederzeit über die Befehlseingabe am Terminal eingreifen und bei Bedarf auch die technischen Einrichtungen manuell steuern.
Neben der Aufgabe, Kommunikationsdienste für die Seeschifffahrt bereitzustellen, ist die Inmarsat-CES Raisting wichtiges Bindeglied im weltweiten Seenot- und Sicherheitsfunksystem (GMDSS – Global maritime Distress and Savety System). Nach dem Betätigen der Notfalltaste an Bord eines mit einer entsprechenden GMDSS-Satellitenanlage ausgerüsteten Seeschiffes wird automatisch eine Telefon- oder Telexverbindung zu einem an die CES angeschlossenen Seenotrettungszentrum (MRCC = Maritime Rescue Coordination Center) hergestellt. Zu der Zeit ist das die Seenotleitung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Bremen. Natürlich werden solche Verbindungen in der Warte protokolliert und überwacht. Besondere Maßnahmen stellen sicher, dass ein Notruf nicht nur empfangen, sondern auch weiterverarbeitet wird.
Die Warte ist rund um die Uhr besetzt. Neben der Überwachung und Steuerung der Übertragungseinrichtungen werden hier auch alle für die Gebührenabrechnung erforderlichen Daten erfasst und gespeichert. Die Verarbeitung der Verbindungsdaten erfolgt dann in einem Rechenzentrum, zu dem die erfassten Datensätze weitergeleitet werden. Auch sogenannte Commission-Tests, also Zulassungstests für neu installierte Erdfunkstellen, werden von hier aus durchgeführt.
Die SCPC-Modems (SCPC = Single Channel Per Carrier)
Gestell mit der Empfangs- und 
Auswerteeinheit für Inmarsat E.
Technik vom Feinsten
Wesentlicher Bestandteil einer Funkstelle sind naturgemäß die Hochfrequenzkomponenten. Hier gibt es Hochfrequenztechnik vom Feinsten. Nach der Frequenzerzeugung durchlaufen die Signale einen Sendeumsetzer und Leistungsverstärker, bevor sie über eine Sende-/Empfangsweiche in die Antenne eingespeist werden. Die Frequenzen für die Telefonkanäle weist die für die Region und den jeweiligen Inmarsat-Dienst zuständige Netzwerkkoordinierungsstelle (NCS = Network Coordination Station) zu. Für Inmarsat-A ist es beispielsweise die Erdfunkstelle Southbury in den USA.
Die technischen Anforderungen auf der Empfangsseite sind naturgemäß ebenfalls sehr hoch. Die vom Satelliten kommenden Signale haben bereits einen Weg von 36.000 km zurückgelegt und treffen mit einem geringen Pegel auf die Antenne. Der hohe Antennengewinn sorgt erst einmal dafür, dass die Signale überhaupt empfangen werden können. Unmittelbar nach der Sende-/Empfangsweiche, die erforderlich ist, da die Antenne sowohl für Sende- als auch für Empfangszwecke verwendet wird, werden die Signale in einem ungekühlten, rauscharmen Empfangsverstärker so weit angehoben, dass sie weiterverarbeitet und schließlich in die terrestrischen Telekommunikationsnetze eingespeist werden können.
Modems, Frequenzaufbereitung, Sende- und Empfangsumsetzer und Steuerungseinrichtungen sind fein säuberlich in Gestellreihen untergebracht. Dazwischen ist ausreichend Platz für den Zugang zu den Bedienelementen, Anzeigeinstrumenten und -panels. Teilweise zeigen auf Bildschirmen abgebildete Blockschaltbilder den aktuellen Betriebszustand. Alle Komponenten sind doppelt vorhanden. Bei einem Ausfall wird automatisch auf Reserve umgeschaltet.
Welche ausgefeilte Technik zum Einsatz kommt, wird beispielhaft an den SCPC-Modems (SCPC = Single Channel Per Carrier) deutlich. Zur Anwendung kommt das Frequenzmultiplexverfahren. Aus einem analogen Telefonkanal wird ein Digitalsignal gebildet. Da es sich beim SCPC-Verfahren um ein Einzelkanalverfahren handelt, werden die einzelnen Trägerfrequenzen nur ausgesendet, wenn der Kanal auch belegt ist. D. h. wiederum, die pro Kanal zur Verfügung stehende Hochfrequenzleistung ist nicht konstant, sondern abhängig von der Kanalbelegung. Nachteilig im digitalen Zeitalter ist, dass das SCPC-Verfahren nicht ISDN-kompatibel ist. Es wird daher nicht weiterentwickelt.
Schematische Darstellung des von Dornier entwickelten Seenotrufsystems Inmarsat-E.
Beim Gang durch die Technikräume fällt eine etwas abseits von den übrigen Gestellen stehende Baugruppe auf, die mit „DIGITAL RECEIVER PROCESSOR FOR MOBILE SAFETY SERVICES“ beschriftet ist. Es ist das Herzstück der Inmarsat-E-Einrichtung. Der Inmarsat-E-Dienst als Bestandteil des GMDSS sorgt für die kommunikationstechnische Anbindung der in diesem Dienst eingesetzten Seenotfunkbojen (EPIRB = Emergency Position Indicating Beacon). Bei einer Länge von 160 Bits wird der von der EPIRB ausgesendete Notruf mit 32 bit/s übertragen. Er beinhaltet Schiffskennung, Schiffsposition, Kurs, Geschwindigkeit, Zeit des letzten Positions-Updates, Zeitpunkt der Auslösung des Notrufs, Art des Notfalls sowie Informationen, die zur Synchronisation des Empfängers und für die Fehlerkorrektur benötigt werden. Die empfangenen Notrufe werden von der CES automatisch an das zuständige MRCC weitergeleitet. Die Technik dieser aktiven Funkbojen wurde 1987/1988 von der Firma Dornier (heute EADS) in Immenstaad am Bodensee in Zusammenarbeit mit der damaligen Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt  heute Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), entwickelt.
Links:  Die von Dornier entwickelte Inmarsat-E-Seenot- funkboje meldet im Einsatzfall Schiffskennung, letzte Position, Kurs, Geschwindigkeit, Datum und Uhrzeit der Notrufaus- lösung sowie die Art des Notfalls.
Die Antennen
Weiter geht es zur dritten und nicht weniger wichtigen Komponente, der Antenne. Der Hauptreflektor der nach dem Cassegrainprinzip arbeitenden Antenne hat einen Durchmesser von 15,5 m, der Subreflektor einen von 2 m. Mit einem Gewicht von 96 t ist auch diese Antenne keineswegs ein Leichtgewicht. Gespeist wird das beheizbare Antennensystem über ein Rillenhorn (im Gegensatz zu einem glattwandigen Kegel- oder Trichterhorn ist die Oberfläche des Strahlers mit Rillen versehen, daher der Name). Der Antennengewinn beträgt bei 4 GHz bereits 54 dB und bei 6 GHz sogar 58 dB.
Nachgeführt wird die Antenne mittels des sog. Steptrackverfahrens. Welche Nachführgenauigkeit erforderlich ist, wird deutlich, wenn man sich die Halbwertsbreite der Antennen anschaut. Sie liegt, frequenzabhängig, bei 0,3 Grad / 0,18 Grad bei 4 GHz bzw. bei 6 GHz. Die Antenne muss daher sowohl elektrisch als auch mechanisch sehr hohen Anforderungen genügen, und zwar zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wind und Wetter.
Die 15,5-m-Inmarsat-Antenne. Der an den 
dreieckförmigen Streben angebrachte 
Sub-Reflektor hat einen Durchmesser von 2m
Im Speisepunkt der 15,5-m-Parabolantenne sorgt ein rauscharmer 
Verstärker für die notwendige Anhebung des Antennensignals.
An dieser Stelle kommt die Frage auf, warum die Antenne überhaupt nachgeführt werden muss, da es sich bei Inmarsat doch um geostationäre Satelliten handelt. Die Antwort ist verhältnismäßig einfach. In Wirklichkeit hat der auf der geostationären Umlaufbahn stehende Satellit nur eine annähernd fixe Position im All. Für den Betrachter auf der Erde scheint der Satellit zwar stillzustehen; es bleiben aber gewisse Relativbewegungen des künstlichen Himmelskörpers zur Erde, die ausgeglichen werden müssen. Beeindruckend sind die im Speisepunkt der Antenne verwendeten Komponenten, so auch ein rauscharmer Verstärker und die „Verkabelung“, wenn man zu einem sprachlichen Äquivalent zur „herkömmlichen“ Antennentechnik greifen möchte. Hier dominieren auf der Hochfrequenzseite keine Drähte oder Kabel, sondern Hohlleiter in verschiedenen Ausführungen. Fast zwangsläufig erinnert das an eine Wasserleitungsinstallation, wobei dieser Vergleich allerdings insofern hinkt, als es sich hier um hochpräzise Feinmechanik mit sehr engen Toleranzen handelt.
In der Antennenfarm stehen die verschiedensten 
Antennen zur Verfügung.
Eine Inmarsat-B-Schiffs-Antenne bei abgenommenem Radom.
An das Gebäude schließt so etwas wie eine „Antennenfarm“ an, eine Ansammlung diverser Antennen, wie sie für die verschiedenen mobilen Inmarsat-Dienste Verwendung finden. Allerdings dienen diese Antennen weder als Anschauungsmaterial für Besucher noch der Zierde, sie werden zu Testzwecken genutzt.
Im Gebäudeinnern wird anhand einer Inmarsat-B-Antenne, wie sie auf Seeschiffen zum Einsatz kommt, das Innenleben einer nachführbaren Antenne für den mobilen Einsatz veranschaulicht. Die sonst die Antenne schützende Hülle, das Radom, ist abgenommen. Wesentlich geprägt wird das Bild von den Gewichten der kreiselstabilisierten Antenne, während die auf Leiterplatten untergebrachte Elektronik fast nebensächlich erscheint. Die kardanische Aufhängung bewirkt in Verbindung mit der Elektronik, die das Bakensignal des Satelliten auswertet, eine automatische Ausrichtung und Nachführung der Antenne auf den Satelliten sowie eine für den sicheren Betrieb notwendige stabile Lage, unabhängig von Roll- und Stampfbewegungen.
Nicht nur im Dienst der Seeschifffahrt
Inmarsat steht längst nicht mehr nur für den Seefunkdienst über Satelliten. Im Laufe der Zeit ist die Angebotspalette immer umfangreicher geworden und umfasst neben maritimen auch landmobile und aeronautische Bereiche. Das hat auch im Namen seinen Niederschlag gefunden. Aus der ehemals zwischenstaat- 
lichen Organisation „International Maritime Satellite Organization“ ist die privatrechtliche „International Mobile Satellite Organization (IMSO)“, eine Tochtergesellschaft der INMARSAT Ventures Ltd. geworden. Die Angebotspalette umfasste im Dezember 2001 die Standards A, B, C, M, Mini-M, D/D+, E, ISDN und Aero. So war auch die ursprünglich reine Inmarsat-Küsten-Erdfunkstelle (CES) Raisting zur Inmarsat-Land-Erdfunkstelle (LES) geworden.
Beim letzten Satz liegt die Betonung auf „war“, denn wenige Tage vor dem Besuch der LES Raisting war bekannt geworden, dass die Deutsche Telekom AG ihre Inmarsat-Aktivitäten an die France Telecom Mobile Satellite Service SA (FTMSC) verkauft hat. Damit kam das „Aus“ für die einzige deutsche Inmarsat-LES. Insofern war der Besuch dieser Einrichtung im Dezember 2001 fast schon eine Reise in die Vergangenheit, zumindest aber eine Reise an der Schwelle zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Links:  Der Brückenaufbau des Gastankers „Jessie Maersk“. 
An der Spitze des Signalmastes ist die Inmarsat-Antenne montiert.
Danach ...
Nach dem Verkauf der Inmarsat-Aktivitäten wurden die bis dahin von Raisting wahrgenommenen Inmarsat-Dienste zu den französischen Erdfunkstellen verlagert, im Wesentlichen zur LES „Aussaguel“, ca. 25 km südlich von Toulouse gelegen. Aussaguel ist seitdem auch Kontaktstelle für die Seenotleitung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Bremen.
Nach rund fünf Jahren, zum 31.10.2006, verkaufte die France Telecom ihre Tochtergesellschaft FTMSC SA weiter an den internationalen Finanzinverstor Apax Partners SA, der im November des gleichen Jahres auch die norwegische Telenor Satellite Services (TSS) übernahm. „Vizada“, so der neue Markenname, bietet eine breite Palette an satellitengestützten Telekommunikationsdiensten für verschiedene Anwendungsbereiche an. Es handelt sich sowohl um Dienste von Inmarsat als auch von Thuraya und Iridium.
Inmarsat hat inzwischen die Angebotspalette geändert. So ist z. B. der Inmarsat-A-Dienst, der erste noch auf analoger Basis arbeitenden Inmarsat-Dienst, zum 31.12.2007 eingestellt worden. Hauptnutzer dieses Dienstes war die Schifffahrt. Ein Einschnitt im Kommunikationsangebot war mit der Einstellung dieses Dienstes nicht verbunden, denn schon längere Zeit stand mit Inmarsat-B der digitale Nachfolger zur Verfügung.
Ebenfalls eingestellt, allerdings ohne direkten Ersatz, wurde zum 01.12.2006 der Inmarsat-E-Dienst, vornehmlich wohl wegen mangelnder Nachfrage. Ausschlaggebend für die Reeder dürften die höheren Kosten gewesen sein. Damit hat sich die einstige Hoffnung, die hochmodernen Inmarsat-E-Seenotfunkbojen zu einem festen Bestandteil des Sicherheitskonzeptes für die Schifffahrt zu machen, nicht erfüllt. Statt dessen wird in diesem Bereich auf das einige Jahre ältere, auf umlaufende Satelliten basierende COSPAS/SARSAT-System (Cosmicheskaya Sistema Polska Avaranych Sudov/Search and Rescue Satellite Aided Tracking) gesetzt.

Die COSPAS/SARSAT-Seenotfunkbojen arbeiten auf 406 MHz und lassen eine etwas genauere Positionsbestimmung zu als die ebenfalls in diesem System, aber auf 121,5 MHz und 243 MHz arbeitenden und von der Luftfahrt genutzten Emergency Location Transmitter (ELT). Im Gegensatz zu den Inmarsat-E-EPIRBs werden bei den 406-MHz-EPIRBs keine Datentelegramme mit allen für eine schnelle Hilfe notwendigen Informationen übertragen, d. h., es fehlt auch die Positionsangabe, die im Inmarsat-E-Dienst aus dem GPS-Signal gewonnen worden war. 

Oben:  Im quaderförmigen Gehäuse mit der Aufschrift „KANNAD“ befindet sich eine COSPAS/SARSAT-Seenotfunkboje.
In COSPAS/SARSAT erfolgt die Positionsbestimmungen über die Messung der Signallaufzeit (Dopplereffekt). Das Ergebnis wird im Satelliten zwischengespeichert und bei nächster Gelegenheit zur Erdfunkstelle übertragen. Wie genau die ermittelte Position ist, hängt von mehreren Faktoren ab. In der Literatur wird ein Wert angegeben, der zwischen einer und 50 nautischen Meilen liegt.
Da die umlaufenden Satelliten das Signal der Seenotfunkboje erst erfassen können, wenn sie am Horizont Sichtverbindung zur Boje haben, kann wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen. Bis die Information dem MRCC vorliegt, können 15 Minuten und mehr vergehen. Im ungünstigsten Fall liegt dieser Wert sogar im Stundenbereich. Auch hierbei wird deutlich, welche Vorteile die Inmarsat-E-EPIRB bot: Die Zeit von der ersten Aussendung des Datentelegramms bis zur vollständigen Auswertung in der Erdfunkstelle lag bei ganzen drei Minuten!

Doch zurück zur Erdfunkstelle Raisting, die als solche auch nach dem Auszug von Inmarsat bestehen blieb. Inmarsat war nicht das einzige, sondern eines von insgesamt drei Standbeinen. Erhalten blieben die weltweite Telefon- und Datenkommunikation via Intelsat und Eutelsat, der Austausch von Fernsehprogrammen sowie als drittes Standbein umfangreiche Steuerungs- und Überwachungsaufgaben, kurz TTC+M genannt. Diese Abkürzung steht für Tracking (Bahnverfolgung), Telemetry (Übertragung von Steuerungsdaten), Command (Kommandierung der Satelliten) und Monitoring (Überwachen der angeschlossenen Erdfunkstellen auf Einhaltung der Betriebsparameter). Ende 2005 verkaufte die Deutsche Telekom die gesamte Erdfunkstelle Raisting an die „Emerging Markets Communications, Inc. (EMC)“, eine global arbeitende Telekommunikationsgesellschaft, die seither diese Einrichtung im selben Umfang weiterführt.

Rückblick
Schauen wir zurück, läuft vor unseren Augen so manches wie ein Film ab. Es wird einmal mehr deutlich, mit welcher Geschwindigkeit sich in wenigen Jahren die Telekommunikationslandschaft verändert hat, wie Zuständigkeiten, Eigentumsverhältnisse und angebotene Dienste einem schnellen Wandel unterworfen waren und noch weiter sein werden. Deshalb hier noch ein streiflichtartiger Rückblick.

Eine der großen Parabolantennen für die Intelsat/Eutelsat-Dienste neben kleineren Antennen, 
über die Steuerungs- und Überwachungsaufgaben abgewickelt werden.
Anfänglich etwas belächelt und recht zögerlich, nutzten nach und nach immer mehr Schiffe die neue Kommunikationsmöglichkeit via Relaisfunkstellen im Weltall, den Seefunkdienst über Satelliten. Als Folge davon ging das Verkehrsaufkommen im terrestrischen Seefunkdienst zurück, sodass in den neunziger Jahren bereits einige Küstenfunkstellen, so auch solche der Deutschen Telekom, geschlossen wurden und das verbliebene Geschäft in Deutschland zuletzt auf eine Küstenfunkstelle, Norddeich Radio, gebündelt worden war. Bis dann Ende 1998 auch dort die Lichter ausgingen. Der öffentliche Seefunkdienst über Satelliten hatte endgültig das Rennen gewonnen.
Nach dem Ausstieg aus dem terrestrischen Seefunkdienst lief der öffentliche Seefunkverkehr im Bereich der Deutschen Telekom ausschließlich über die Inmarsat-CES in Raisting. Es war aber längst nicht mehr nur der Verkehr von und zu Seefahrzeugen, der über das Inmarsat-Kommunikationsnetz abgewickelt wurde. Im Laufe der Zeit waren auch Inmarsat-Dienste für Land- und Luftfahrzeuge dazu gekommen. So war aus einer einstmals reinen Küsten-Erdfunkstelle (CES) Raisting eine Inmarsat-Land-Erdfunkstelle (LES) geworden. Doch während die Küstenfunkstelle für den terrestrischen Seefunkdienst, Norddeich Radio, rund 90 Jahre im Dienste der Seefahrt stand, gingen bei der Inmarsat-LES Raisting schon rund 12 Jahre nach Aufnahme des Dienstes die Lichter aus.

Quellen
Informationsmaterial der Deutschen Telekom AG, Niederlassung Weilheim
Koch, Stefan; Schulte, Heinz: „Satellitenfunktechnik (1)“, Deutsche Telekom Unterrichtsblätter, 56. Jg. 2003, Nr. 8
Koch, Stefan; Schulte, Heinz: „Satellitenfunktechnik (2)“, Deutsche Telekom Unterrichtsblätter, 56. Jg. 2003, Nr. 9
Kuhn, Robert: „Seefunk – aktuell“, Mitteilungsblätter der Seefunkkameradschaft e. V., Bremen
Körner, Hans-Jürgen: „Das Seenot-Funksystem gestern, heute und morgen“, funk, Heft 10/1988, S. 32-35
Eigene Aufzeichnungen
Bildnachweis:

Bilder 1, 3, 5-13 und 16-17  Urheber gem. § 7 Urh G: Hans-Jürgen Körner
Bild 2: Quelle NASA  (NASA-Bild- und Tondokumente sind "gemeinfrei" und fallen nicht  unter das Urheberrecht)
Bild 14 und Bild 15: Pressefotos Deutsche Aerospace  (heute EADS)
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Version: 09-Nov-09 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu