Die Sesacom Anlagen
Ein Forschungsprojekt der Bundesrepublik Deutschland
Ein Bericht von © 2007: Joachim Paul, DJ7WL

Im Jahre 1976 wurde das Marisat Satellitenkommunikationssystem in Betrieb genommen. Primär war Marisat für die amerikanische Marine vorgesehen aber ein Transponder mit 6 Telefoniekanälen war im Bereich des Atlantik für die internationale Handelsschiffahrt vorgesehen.
Die Schiffsterminals für den Telefon und Telexbetrieb wurden von der Comsat in den USA bezogen. Hersteller der Terminals für die Comsat war Scientific Atlanta.
Das Forschungsministerium der Bundesrepublik Deutschland förderte die Entwicklung von in Deutschland gefertigten Satellitenterminals für den Betrieb über das Marisat System. Zu diesem Zweck erging ein Auftrag an folgende deutsche Firmen zur Erstellung von Prototypanlagen welche anschließend auf den unterschiedlichsten deutschen Schiffen erprobt werden sollten, um Erfahrungen für eine Serienfertigung zu erlangen:
Siemens:
Signalaufbereitung für alle Betriebsarten, Unterdeckeinheit, Telexeinheit, Telefoneinheit, Stromversorgung
Dornier:
Antenneneinheit, Antennenrechner
Debeg:
Installation, technische Betreuung während der vorgesehenen drei Jahre Betriebszeit, Training der Anwender, 
Protokoll und Berichtswesen
Die Technik der Anlagen war den Marisat-Anlagen sehr ähnlich. Auch die Antennensteuerung arbeitete nach dem Prinzip des geschlossenen Regelkreises zwischen Antenneneinheit und Antennenrechner in der Unterdeckeinheit.
Neben dem Telexbetrieb sowie der Telefonie wurde auch ein Interface zur späteren Verwendung mit Daten und Faxgeräten integriert.
Als Beispiel für die präzise Arbeit der Hersteller wird die geöffnete Endstufe des Systems dargestellt. Diese Endstufe arbeitet mit einer Ausgangsfrequenz von 1,6 GHz.
Eine echte Innovation und  Vorteil gegenüber den Scientific Atlanta Anlagen war der Selbsttest, welcher integriert war. Beim Einschalten oder auf Knopfdruck wurde eine Testroutine aufgerufen, die 50 Messwerte im Gerät abfragte. Wenn ein Messwert nicht in der Toleranz lag wurde mit einem nume- rischen Wert der Fehler angezeigt. Auch diverse HF-Messungen in der Unterdeck- einheit und der Antenneneinheit wurden so erfasst. Dies Art des Selbsttest wurde Vorbild für viele spätere Konstruktionen.

Auf folgenden deutschen Schiffen wurden Sesacom Anlagen installiert:

MS "Dolomit" dann MS "Gauss" / DBBX Kümo / Forschungsschiff MS "Europa" / DDQH Passagierschiff
MS "Transvaal" Containerschiff MS "Stuttgart" / DEOU Trawler
MS "Rheinfels" / DEEQ RoRo-Schiff MS "Meteor" / DBBH Forschungsschiff
Ein weiteres Terminal wurde bei der Debeg in Hamburg und bei Siemens in München als Referenz aufgebaut.

Die erste Anlage wurde auf dem Ro-Ro-Schiff "Rheinfels" / DEEQ der DDG Hansa installiert:
Das Brückenhaus MS "Rheinfels" / DEEQ mit dem markanten Radom, unter dem sich die Satelliten-Antenne befindet
oben: Antennenanlage auf dem Peildeck und Unterdeck-Einheit im Funkraum der "Rheinfels" / DEEQhier:Weitere Fotos
Die zweite Anlage wurde auf der "Dolomit" installiert
Es zeigte sich sehr schnell, dass die Antennensteuerung  den schnellen Rollbewegungen des Kümos nicht ausreichend folgen konnte. Die Anlage wurde daher wieder ausgebaut und für das Forschungsschiff "Gauss"/DBBX vorgesehen, das gerade auf der Schlichting-Werft in Lübeck-Travemünde gebaut wurde und im Mai 1980 für das DHI in Dienst gestellt werden sollte.

Wieder-Installation auf dem Forschungsschiff "Gauss" / DBBX:
Die Antennenanlage der Sesacom oberhalb der Plattformen im Mast der "Gauss" und die Unterdeckeinheit
Auf dem mittleren Foto steht eine Dornier GMDSS EPIRB vor dem Schiff
Die Anlage von der "Dolomit" wurde mit hohem Aufwand auf dem Forschungsschiff "Gauss" / DBBX installiert. Die aufwendige Antennen- träger-Konstruktion muste aus einem speziellen Aluminium hergestellt werden um Messungen an Bord nicht zu beeinflussen. Auf der "Gauss" habe ich dann auch das Interface für Datenkommunikation und Faxbetrieb erprobt. Der damals gängige Faxbetrieb wurde mit Gruppe 1-Geräten durchgeführt. Die Aufgabe, die hierbei zu lösen war, war  das Vierdraht-Interface der Satcom an das Zweidraht-Interface des Faxgerätes anzupassen. Das Siemens Faxgerät musste auf Vierdraht Betrieb modifiziert werden. Gruppe 1-Geräte hatten auch noch keine Erkennung, um weiße Stellen des Papiers schnell durchzuschieben. Bei diesen Geräten wurde das DIN A4 Papier auf eine Trommel gespannt und dann zeilenweise abgescannt. Das bedeutete: Jede Faxübertragung dauerte drei Minuten, unabhängig vom Inhalt der Nachricht. Bei den damaligen Kosten für die Marisat-Minute wurde dieser Betrieb nur wenig genutzt.

Die dritte Anlage war für das Containerschiff MS "Transvaal" bestimmt und wurde dort eingebaut
Leider gibt es von dieser Installation keine Fotos.

Die vierte Anlage ging auf das Forschungsschiff "Meteor" / DBBH:
Das Forschungsschiff "Meteor" / DBBH
Die "Meteor" liegt hier in Buenos Aires. Ich mußte nach dort fliegen, weil das Schiff zweimal unbegründet GMDSS Distress gesendet hatte. Vor Ort war die Ursache dafür schnell gefunden. Das Bediengerät saß an einem Schott welches unter bestimmten Bedingungen in Eigenresonanz geriet. Im Bediengerät befindet sich für die Auslösung des Distress Alarms ein Knopf unter einer separaten Klappe. Dieser Knopf ist ein "Schließer Kontakt". Durch die heftige Resonanz hat er kurzfristig Kontakt gehabt, was zum Auslösen genügte. Als Abhilfe habe ich in Reihe zum "Schließer" dann einen "Öffner" installiert. Um nun einen echten Distress auszulösen, mußte man beide Knöpfe zusammen betätigen.
Eine weitere Besonderheit auf der "Meteor" war das sogenannte "HF-Kondom". Auf dem rechten Foto ist es deutlich unterhalb der Antenne als Metallkragen zu sehen. Auf der linken Seite des Peildecks sieht man das Wetterradar. Dieses Gerät arbeitete mit hoher Leistung in der Nähe der Inmarsat Empfangsfrequenz von 1,5 GHz. Um nun Schaden vom damals sehr teuren Empfangsvorverstärker abzuwenden, hatten sich die Leute beim DHI diese Lösung der HF-Abschirmung ausgedacht. Diese HF-Abschirmung hatte auch noch einen Auslösekontakt für das Wetterradar: Nur wenn das "HF-Kondom" mechanisch hochgekurbelt war konnte das Wetterradar eingeschaltet werden.

Die fünfte Anlage wurde auf dem Passagierschiff MS "Europa" / DDQH installiert:
links: Die Satelliten-Antenne am hinteren Schornstein    rechts: Die drei Funkoffiziere der MS "Europa" / DDQH
Foto oben von links nach rechts: Hans Kühl, Gotthold Voigt und Eberhard Müller

Wer sich hier die Bilder zur Installation ansieht, wird sagen: Das ist doch unmöglich - die Antenne am Schornstein montiert! Die Abgase werden in kurzer Zeit durch die Verschmutzung die Sende- und Empfangs- leistung beeinträchtigen. Das hätte ich auch so gesagt, aber dieser (vordere) Schornstein der "Europa"/DDQH (frühere "Kungsholm"), ist ein Dummy: Es werden keine Abgase darüber abgegeben. Auf der "Europa" habe ich eine Überleiteinrichtung zwischen der Sesacom Anlage und dem Schiffstelefonnetz in Betrieb genommen. Ich denke, das war die erste derartige Einrichtung auf einem deutschen Schiff. Die Passagiere konnten sich damit ihre Gespräche in die Kabine durchstellen lassen.
Foto links: Übergabe der Sesacom-
Anlage an den 1.Funkoffzier G. Voigt

links: Der Kartentisch mit Decca-Navigator und Funkpeiler von Plath  rechts: Decca Radargeräte auf der Brücke
links:Der Verfasser am Ruder der MS "Europa"        rechts: Die Kommandobrücke der MS "Europa"



Die sechste Anlage wurde auf dem Fischtrawler "Stuttgart" / DEOU eingebaut:
Die Antenne vor der Montage                      Die Unterdeck-Einheit                 Die Antenne auf dem Signalmast
Fischtrawler "Stuttgart" / DEOU mit der Satelliten-Antenne für die Sesacom-Anlage
Die oben beschriebenen Anlagen wurden im Auftrag des Forschungsministerium die vorgesehen drei Jahre erprobt. Es stellte sich danach heraus, dass die Anlagen wirtschaftlich nicht in Serie gebaut werden können. Einige der Anlagen wurden mit gutem Erfolg auch noch über die drei Jahre hinaus weiter betrieben.
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Version: 22-Feb-07 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu