Vor 100 Jahren: Die Seeschlacht bei Tsushima
Wurde sie durch Funk ausgelöst?
Bericht © 2005: Heinrich Busch, Berne

Nach der Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstandes in China im Jahre 1900 durch die Großmächte USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Rußland und Japan zog sich Rußland nicht wieder aus der besetzten Madschurei zurück. Bereits fünf Jahre zuvor hatte Japan auf Drängen Rußlands, Frankreichs und Deutschlands die von ihm besetzte Halbinsel Liautung mit dem Hafen Port Arthur (Heute Dalian) räumen müssen. Rußland hatte diese Gebiete dann selbst besetzt und Japan fühlte sich bedroht. Es verdoppelte seine Armee, die Flotte wurde durch Großaufträge an England sogar verdreifacht. Ab 1902 gab es ein Bündnis zwischen Japan und England, das den Einsatz der britischen Flotte zum Schutz der japanischen Inseln vorsah.
Im Frühjahr 1904 überfielen japanische Torpedoboote die vor Port Arthur liegende russische Pazifikflotte und fügten ihr erhebliche Schäden zu. Die japanische Flotte unter Admiral Togo verhinderte alle Ausbruchsversuche der Russen.(*)

Das war der Auftakt zum Russisch-Japanischen Krieg 1904/05.

Die russische Führung in Petersburg faßte den Entschluß, ein Geschwader aus sieben Linienschiffen, einem Panzerkreuzer, acht Kreuzern und neun Torpedobooten aus der Ostsee als "Zweites Pazifisches Geschwader" in den fernen Osten zu verlegen. Dazu kamen zivile Hilfs- und Lazarettschiffe. Diese Flotte machte sich im Oktober 1904 (Ein anderes, früheres Datum kommt dadurch zustande, daß in Rußland zu dieser Zeit noch der Julianische Kalender galt. Der Gregorianische Kalender wurde erst nach der Revolution 1917 eingeführt!) von Libau aus auf den 18000 Seemeilen langen Weg um Europa und Afrika herum nach Ostasien. Versorgungsmöglichkeiten gab es lediglich in Madagaskar, das zum verbündeten Frankreich gehörte. 
Die Hamburger Reederei Hapag hatte die Aufgabe übernommen, unterwegs die Versorgung der russischen Flotte mit Kohle sicherzustellen. Insgesamt 338200 Tonnen walisischer Kohle - nur diese Kohle verbrennt fast rauchlos - wurden mit 80 eigenen und gecharterten Schiffen unter schwierigsten Umständen auf Reede und sogar während der Fahrt an die Russen übergeben. Dieses Unternehmen wurde nicht nur für die Hapag, die die Luxusschiffe "Amerika" und "Kaiserin Auguste Victoria" damit finanzierte, sondern auch für die eigentlich mit Japan verbündeten Engländer ein lohnendes Geschäft.(***) 

Die deutschen Funkgeräte versagen
Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Nossi Bé (Madagaskar) liess Admiral Roschestwenskij auf See Manöver durchführen und deckte dabei auch Misstände mit der Funkentelegrafie auf. In (*) heisst es dazu:
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Die Übungen bewiesen, dass die schlechten Erfahrungen, welche er seit Libau mit den Apparaten der deutschen Firma gemacht hatte, nicht auf der Unfähigkeit seiner Telegrafisten sondern auf der Unbrauchbarkeit dieser Stationen beruhte. Die Kalkulation der Firma Slaby-Arco, auf diese Art billig an Erfahrungen zu kommen, war schlecht. Die Funkentelegrafie befand sich damals in den Kinderschuhen, aber das Interesse der ganzen Welt war auf ihre Fortschritte gerichtet. Es fand die grösste Beachtung, dass Roschestwenskij mit den kleinen Marconi-Apparaten sogar bis zu 90 Meilen Entfernung überbrückte, während die Slaby-Arco-Apparate, trotz Beisein der von der Firma mitgeschickten Ingenieure, gänzlich versagten.
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An anderer Stelle heisst es:
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Auf den Transportern "Korea" und "Mitai" waren Marconi-Funkstationen eingebaut, auf allen anderen Schiffen waren es Slaby-Arco-Stationen. Auf der "Ural" war eine Gross-Station, die auf 500 und mehr Meilen arbeiten sollte . . .Die Station der "Korea" empfing Telegramme auf 90 Seemeilen während kein anderes Schiff Telegramme auf über 63 Meilen aufnehmen konnte.
Unquote

In Südasien stieß noch eine Verstärkung aus vier Linienschiffen und einem Kreuzer zum Geschwader, Ende Mai 1905 kam die russische Flotte nun im Osten der Insel Formosa herangedampft. Admiral Sinovij Petrowitsch Roschestwenskij wusste, daß er einem aussichtslosen Kampf entgegenfuhr. Er kannte die Minderwertigkeit der Ausrüstung seiner Flotte, die den japanischen Kriegsschiffen von vornherein unterlegen war. Der russische Admiral hoffte, ungefährdet Wladiwostok auf der russischen Seite des japanischen Meeres erreichen zu können. Er näherte sich am 27. Mai 1905 in Schlachtordnung den Tsushima-Inseln. An der Südküste Koreas lag Admiral Togo mit der japanischen Flotte auf der Lauer. Er hatte die Meerenge in Planquadrate eingeteilt und liess mit drahtloser Telegrafie ausgerüstete Torpedoboote zur Beobachtung umherfahren.(**) 
Das japanisches Schiff „Shinano Maru“ entdeckte östlich von Tsushima ein gegen die Vorschrift unter Licht fahrendes russisches Schiff. Es gab darüber eine Funkmeldung an das Flaggschiff „Mikasa“ ab und meldete auch, daß das Schiff – es handelte sich um das zivile Laratettschiff „Orel“ – unbewaffnet sei. 
Damals war es üblich, dem Gegner aufklärende Nachrichtenübermittlung dadurch unmöglich zu machen, daß man auf allen bekannten Frequenzen die Morsetasten der Sender auf Dauerstrich stellte.(**) Die "Ural" fragte bei Admiral Roschestwenskij an, ob die Feinde beim Telegrafieren gestört werden sollen, der Admiral untersagte es.(*) Das ist unter den weiter oben genannten Vorraussetzungen verständlich. Zitat: Er hätte ebenso erfolgreich mit der Pistole auf Blitze schiessen können.

Die Frage im Unter-Titel dieses Aufsatzes kann also eundeutig mit "Nein" beantwortet werden.

Die Japaner schlugen die russische Flotte zwischen dem 27. und 29. Mai 1905 vernichtend. Die größtenteils in England gebaute und von englisch ausgebildeten Offizieren geführte japanische Flotte war schneller und besser ausgerüstet. Sie versenkte, kaperte oder zerstörte acht Schlachtschiffe, neun Kreuzer, sechs Dampfschiffe und einige andere Schiffe. Unter den versenkten Schlachtschiffen war auch das Flaggschiff „Suworov“, ein erst zwei Jahre altes 121 Meter langes und 23 Meter breites Schiff mit 13780 t Verdrängung. Als Antrieb dienten zwei 3-fach Expansionsmaschinen mit 4 Zylindern und zusammen 15800 PS. Bei 18 Knoten reichte der Kohlevorrat für 1970 Seemeilen, bei 10 Knoten für 8500 Seemeilen.
Rund 4000 Russen wurden getötet, drei Admirale – darunter auch der schwer verwundete Admiral  Roschestwenskij - und 7 300 Seeleute wurden gefangen genommen. Die Japaner verloren nur drei Torpedoboote, hatten 116 Tote und 538 Verwundete zu beklagen.(****)

Die Seeschlacht bei Tsushima beendete den Russisch-Japanischen Krieg. 

Der unter amerikanischer Vermittlung zustande gekommene Friedensvertrag sicherte die Halbinsel Liautung mit Port Arthur und die südliche Hälfte von Sachalin den Japanern zu. Südkorea und die Mandschurei wurden japanisches Einflussgebiet. 


Benutzte Quellen:
(*) "Tsushima", Seiten 197/198 und 283 Bericht / Roman von Frank Thiess.
(**) O. Reuter: "Eine Funkmeldung löst die Schlacht bei Tsushima aus" im Mitteilungsblatt der Seefunkkameradschaft Bremen, Heft 10/1959 
(***) "150 Jahre Hapag-Lloyd" St.147 + St.150
(****) The Russo-Japanese War Research Society: http://www.russojapanesewar.com/tsushima.html
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Version: 12-May-05 / Rev.: 07-Oct-09 / HBu