Schleuderflüge von "Bremen" und "Europa"
Bericht von H. Schmidt, erschienen im Mitteilungsblatt der Seefunkkameradschaft Bremen Heft 8/1959.
 Bearbeitet von H. Busch, Berne

Die Schleuderflüge der beiden Lloyddampfer bilden einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung des Luftpostverkehrs.
Mit lebhaftem Interesse verfolgte die Öffentlichkeit des In- und Auslands den Bau der beiden Schnelldampfer "Bremen" (51731 BRT) und "Europa" (49746 BRT), die am 15. und 16. August 1928 vom Stapel liefen. Für den damaligen Stand der Technik waren die Dampfer Wunderwerke der Schiffsbaukunst. Die Indienststellung der "Bremen" erfolgte am 16.Juli 1929. Die "Europa" folgte erst am 19.März 1930, da die Übergabe des Schiffes durch einen Brand an Bord des fast fertigen Neubaus verzögert worden war.
Um die Geschwindigkeit der Schiffe auch dem Postverkehr nutzbar zu machen wurden von der Deutschen Reichspost auf beiden Schiffen deutsch - amerikanische Seeposten eingerichtet. Da ein regelmässiger Luftpostverkehr nach Nordamerika in der damaligen Zeit aus technischen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte, machte die Deutsche Reichspost zur grösseren Beschleunigung der Postbeförderung zunächst von einer Zwischenlösung Gebrauch. In Zusammenarbeit mit der Lufthansa und dem Norddeutschen Lloyd entschied sich die Deutsche Reichspost für die Einrichtung von Schleuderflügen, d.h. Flugzeugkatapultstart von Bord des Dampfers. 
Praktische Versuche mit dem Katapult waren bereits im August und September 1928 von dem zwischen Le Havre und New York verkehrenden französischen Dampfer "Ile de France" unternommen worden. Beim ersten Flug am 13.August 1928 konnte die vom Flugzeug mitgenommene Post 18 Stunden früher als die mit dem Dampfer überbrachte zugestellt werden. Bei der Rückfahrt startete das Flugzeug 350 km vor der europäischen Küste und flog nach Paris. Die Laufzeit der Briefpost verringerte sich dadurch um 36 Stunden. Nach verschiedenen Versuchen stellte Frankreich die Flüge jedoch ein.
Auch in Deutschland war man auf dem Gebiet des Katapultstarts nicht untätig gewesen. Der Flugzeugkonstrukteur Dr. Heinkel hatte in seinen Flugzeugwerken in Warnemünde seit Jahren eingehende Versuche mit dem Bau von Flugzeug-Katapulten für Handelsschiffe gemacht, nachdem er im Jahre 1925 bereits eine einfache Ablaufbahn an die japanische Kriegsmarine geliefert hatte. Die dabei gewonnenen Erfahrungen wurden bei dem Einbau der Schleuderanlage an Bord der "Bremen" verwertet. Ungefähr in der Mitte des Schiffes, zwischen den beiden Schornsteinen, wurde die Anlage aufgebaut. Sie bestand aus einer 27 m langen Schienenbahn, die nach beiden Seiten des Schiffes schwenkbar war und dem Wasserflugzeug die Möglichkeit gab, von seinem 25 m hohen Standpunkt gegen jede Windrichtung zu starten. Auf der kurzen Startbahn war ein Startschlitten angebracht, auf dem das Flugzeug ruhte. Der Startschlitten, der durch Pressluft in l,5 Sekunden 25 m nach vorn geschleudert wurde, gab den nötigen Antrieb, sodass sich das Flugzeug mit eigener Motorenkraft in der Luft halten konnte. Die Startgeschwindigkeit des Schlittens betrug 90 Stundenkilometer, während das Flugzeug selbst erst einen Meter nach Verlassen der Startbahn eine Anfangsgeschwindigkeit von 110 km erhielt. Der Schlitten wurde kurz vor Ende der Startbahn durch Abbremsen mit Pressluft angehalten.
Die Heinkel He12  D-1717 "New York" verlässt die Katapultanlage der Bremen / DOAH
Für den Dampfer "Bremen" war ein Heinkel-Schwimmerflugzeug (He 12) mit einem Gesamtfluggewicht von 2600 bis 2800 kg geliefert worden. Es war mit einem amerikanischen Pratt and Whitney-Hornet-Motor von 450 PS ausgerüstet und konnte ausser dem Flugzeugführer und dem Bordfunker bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 190 km etwa 200 kg Post mitführen. Für den ersten Katapultflug hatte der Norddeutsche Lloyd einen Stempel zur Verfügung gestellt, der neben dem Sonderstempel der deutsch - amerikanischen Seepost abgedruckt werden sollte.
Am 16.Juli 1929 erfolgte die Indienststellung der "Bremen“ und zugleich ihre erste Ausreise nach Amerika. Von Schleppern gezogen, drehte der gewaltige Bug ins Fahrwasser. Die Kapelle spielte und unter dem Jubel von Tausenden nahm das Riesenschiff schrägab vom Kai seine Fahrt stromabwärts zum Meer auf. Unter Führung von Kapitäns Ziegenbein fuhr das Schiff mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29,5 Seemeilen über den Atlantik seinem Ziel entgegen.
Am 22.Juli 1929 war ungefähr 180 Seemeilen vor New York der Tag gekommen, an dem der erste Start des Flugzeuges von Bord erfolgen sollte. Mit insgesamt 6 Sack Post wurde das Flugzeug beladen. Der Pilot, Flugkapitän von Studnitz von der Lufthansa, und der Funker Kirchhoff, nahmen in der Maschine Platz. Als das Startzeichen gegeben wurde, schoss das Flugzeug um l Uhr 5 Minuten mittags über die Bahn. Das riesige Schiff erbebte, als die Pressluft zischend entwich. Noch bevor die Zuschauer recht begriffen hatten was vor sich gegangen war, flog das Flugzeug über der atlantischen Dünung davon. Es stand in ständiger Funkverbindung mit dem Schiff.
Nach einem störungsfreien Flug landete das Postflugzeug "D 1717“ im New Yorker Hafen an der Pier des Norddeutschen Lloyd in Brooklyn. Nach 2 Stunden war die für New York-City bestimmte Luftpostsendung auf dem Hauptpostamt in New York bereits verteilt und schon auf dem Weg zu den Empfängern. Am gleichem Tage erreichte die "Bremen" New York. Sie hatte die Fahrt über den Ozean in 4 Tagen, 18 Stunden und 17 Minuten zurückgelegt und damit das "Blaue Band" errungen, das bis dahin der englische Dampfer "Mauretania" innehatte. 
Die Ankunft der "Bremen" nach der Rekordfahrt war das Tagesereignis in New York. Unter Sirenengeheul von hunderten grosser und kleiner Dampfer und den Willkommenrufen vieler tausend Zuschauer legte das Schiff an der Lloydpier an. 
Links:  Landung in New York
Neben der Rekordfahrt der "Bremen" wurden der erste deutsche Postvorausflug und die schnelle Postbeförderung in der Weltpresse besonders hervorgehoben. Z.B. gelangte die Berlin-Post für New York am 16.Juli 1929 8,40 Uhr, in einer Rekordzeit von 6-1/2 Tagen nach New York. Am folgenden Tage fand die Taufe des Postflugzeuges in der Flugzeughalle von New York durch den Bürgermeister von New York, Jimmy Walker, statt. Er taufte das Flugzeug in Anwesenheit von 3500 Personen auf den Namen seiner Stadt.
Am 27.Juli trat die "Bremen" die Rückfahrt nach Bremerhaven an, die planmässig verlief. Das Flugzeug flog am l. August um 9,30 Uhr bei Cherbourg vom Schiff ab und landete nach 4 Stunden die Luftpostsendungen im Wasserflughafen Blexen gegenüber Bremerhaven. Von Bremerhaven in einem Sonderflugzeug nach Berlin weiterbefördert, konnte die Post noch am selben Nachmittag den Empfängern in Berlin zugestellt werden. Die Laufzeit für die Post von New York nach Berlin betrug danach 5 Tage und 11 Stunden, eine Zeit, die für die damaligen Verhältnisse ungeheures Aufsehen erregte. 
Die Katapultanlage der "Bremen" / DOAH im Modell
Auf den weiteren Fahrten der "Bremen" wurde die Reihe der Versuchsflüge fortgesetzt. In Richtung nach Amerika flog das Flugzeug in der Regel bei Morgengrauen des Tages an dem der Dampfer planmässig New York erreichte, vom Schiff ab und brachte die Post nach Brooklyn. Auf den Rückfahrten begannen die Vorausflüge in der Gegend von Cherbourg, die teils bis Blexen, teils bis Köln durchgeführt wurden. Wie schwierig die Schleuderflüge vor der amerikanischen Küste waren, erlebte der Flugzeugführer der "D 1717" bei seiner dritten Reise. Das am 9. September 1929 in Richtung New York abgeschossene Flugzeug geriet nach 2-1/2 Stunden in eine so ausgedehnte Nebelbank, dass es umkehren musste. Mit grosser Mühe und mit Hilfe von Funkpeilungen fand der Flugzeugführer zum Schiff zurück. Da ruhige See herrschte, konnte das Flugzeug zu Wasser gehen und wurde wieder hochgehievt. Im Jahre 1930 konnten die Vorausflüge auf der Rückfahrt dank der Erfahrungen der Piloten so verbessert werden, dass das Flugzeug in der Regel schon am Tage vor der Ankunft des Schiffes in Southampton, also 2 Tage vor der Ankunft in Bremerhaven, den Dampfer verliess und die Post in Southampton ablieferte. 
Die Luftpostsendungen wurden von dort sofort mit dem Kraftwagen nach London gebracht und konnten mit dem Postflug nach Köln, Hannover, Berlin weiterbefördert werden. Die Vorausflüge ermöglichten für die Post einen Zeitgewinn von rund 20 Stunden in der Richtung nach Amerika und von l bis 2 Tagen in der Richtung nach Europa. Es ist begreiflich, dass unter diesen Umständen starker Gebrauch von der geschilderten Luftpostbeförderung gemacht wurde.
Die Deutsche Reichspost und die Deutsche Lufthansa waren bemüht, in der Richtung nach Amerika dieselbe Beschleunigung wie in der Gegenrichtung zu erzielen. Zu diesem Zweck wurde das Schwesterschiff der "Bremen", die "Europa", die am 25.März 1930 auf ihrer Jungfernreise unter Führung des Kommodore Johnson in einer Rekordfahrt von 4 Tagen 17 Stunden und 6 Minuten New York erreichte und damit ihrem Schwesterschiff "Bremen" das blaue Band entriss, im Sommer des Jahres 1930 ebenfalls mit einer Flugzeugkatapultanlage ausgestattet. Dieser erste Flug des Flugzeuges "D 1919" fand bereits am Tage vor Eintreffen des Schiffes in New York statt und führte über Sidney (Neuschottland) nach New York. Die Gesamtstrecke des Fluges betrug 2585 km, die in etwa 18 Stunden Flugzeit zurückgelegt wurden. Der Vorsprung vor der gewöhnlichen Schiffspost erhöhte sich auf 2 Tage. Bei der am 16. Oktober 1930 in Bremerhaven begonnenen Reise der "Europa" und bei der Rückreise konnten die vorgesehenen Vorausflüge nicht ausgeführt werden. Die eingelieferten Postsendungen erhielten einen Stempelvermerk über den Ausfall der Flüge.
Das gute Ergebnis der Versuchsflüge der Jahre 1929 und 1930 gestattete im Betriebsjahr 1931 eine Steigerung der Zahl der Vorausflüge, und zwar konnten in beiden Richtungen je 15 von den geplanten Flügen durchgeführt werden. Ab 1931 wurde der Dienst auf eingeschriebene Briefe und gewöhnliche Pakete bis 10 kg erweitert. In diesem Jahr ereignete sich der einzige schwere Unfall in der Geschichte der Schleuderflüge. Das Flugzeug "D 1717" war planmässig am 5.9.1931 von Bord der Bremen gestartet und befand sich auf dem Flug nach New York. Nach einer Zwischenlandung in Sidney (Neuschottland) verunglückte das Flugzeug über der Cobequid—Bucht. Der Flugzeugführer Simon und der Funker Wagenknecht kamen dabei ums Leben. Die beförderte Post konnte nicht geborgen werden.
Die neue Junkers J 46 D-UHYL "Bremen" auf dem Katapult
Im Verlauf der weiteren Jahre bewährten sich die Vorausflüge. Die Dampfer wurden mit stärkeren Flugzeugen vom Typ Junkers J 46 ausgerüstet. Es wurden nicht nur Briefe der Geschäftswelt, sondern auch Zeitungssachen, Bilder und Filme der Wochenschau befördert. 
Von verschiedenen Seiten wurde sogar der Wunsch geäussert, den Schleuderflugdienst beider Schiffe über das ganze Jahr auszudehnen. Ein Weg, der sich erst später auf andere Weise verwirklichen liess. Im Zusammenhang mit den Schleuderflügen dürfen die Nachbringeflüge der Deutschen Reichspost, die in den Jahren 1929 bis 1935 bestanden, nicht unerwähnt bleiben. Es handelte sich um die Reichspostflüge von Köln nach Cherbourg, die jährlich im Sommer bestanden, um den Dampfern "Bremen“ und "Europa“ und zeitweise auch "Columbus“ die Spätlingspost für Amerika zuzuleiten. Da diese Post sonst erst mit einem späteren Dampfer hätte befördert werden können, ermöglichte der Luftweg Zeitgewinne bis zu 3 1/2 Tagen. Der Luftpostzuschlag für diese Nachbringeflüge betrug bis 1934 30 Pfennig für je 20 gr, ab 1935 15 Pfennig.
Abschliessend kann gesagt werden, dass die Benutzung der Schleuderflüge in Richtung New York einen Vorsprung für die Post von l bis 2 Tagen, in Richtung nach Europa allgemein von 2 Tagen ergab. Diese Vorteile wirkten sich zusammen so aus, dass die Überführung der Post von Köln bis New York nur 4 1/2 statt 6 bis 6 1/2 Tagen dauerte und hierdurch die in den damaligen Jahren kürzeste Postbeförderung mit planmässigen Verkehrsmitteln über den Nordatlantik erreicht wurde. Mit Ablauf des Jahres 1935 war die Zeit der Schleuderflüge beendet. Im Laufe der Jahre waren genügend Erfahrungen für den Luftverkehr auf dem Nordatlantik und im Schleuderflugdienst gesammelt worden. Diese konnten beim Luftpostverkehr nach Südamerika verwertet werden, der 1934 unter Verwendung schwimmender Flugstützpunkte (Dampfer "Westfalen", später "Schwabenland", "Ostmark", und "Friesland") eingerichtet wurde, sowie bei den Probeflügen der Lufthansa unmittelbar zwischen Europa und Nordamerika in den folgenden Jahren.
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Version: 26-Apr-03 / Rev.: 13-Jun-11 / HBu