Erfahrungen im Luftschiff-Funkdienst
Ein Bericht von Otto Reuter aus Leisnig in Sachsen - Zusammenstllung: H. Busch

Vorwort: Dieser Bericht ist im Heft 4/1967 "Arbeitskreis Seefunk - Erfahrungen - Probleme - Berichte" erschienen. Der Abdruck an dieser Stelle erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Herrn Peter Volk aus Rostock. 
Da der Funkdienst auf den grossen Passagier - Luftschiffen von Seefunkern mit Seefunkgeräten durchgeführt wurde, sollten die im Folgenden beschriebenen Erfahrungen nicht verloren gehen.
Der Verfasser Otto Reuter war erfahrener Luftschiff-Funker. Ausser den hier beschriebenen Reisen auf Luftschiff "Graf Zeppelin" (LZ 127) hat er schon wesentlich früher auf LZ 8 ("Deutschland II" Baujahr und Strandung 1911), und LZ 9 (1911 - 1914) sowie auf dem Luftschiff M IV der Marine (System Gross-Basenach) Dienst getan. 
LZ 127 über Berlin
Funkdienst auf Luftschiffen
Einen besonderen Anteil an dem Erfolg der Amerika- und Weltreisen des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ hatten die funktechnischen Einrichtungen an Bord, ohne die das ganze Projekt der Fernfahrten überhaupt undurchführbar gewesen wäre. Daher wurden zunächst auf der „Deutschlandfahrt“ des Luftschiffes durch umfangreiche praktische Versuche Reichweiten und Betriebssicherheit der Funkanlagen erprobt, und es stellte sich heraus, dass sie alle Anforderungen erfüllten, welche bei diesem Unternehmen notwendigerweise gestellt werden mussten.
Für die Navigation des Luftschiffes spielte die Funkstation eine ebenso wichtige Rolle, wie Kompass, Höhenmesser und andere Instrumente. Die Funkstation musste daneben noch die Aufgabe erfüllen, das Luftschiff dauern in Verbindung mit einer Bodenfunkstelle und – über See – mit grossen Passagierdampfern zu halten.
Die vom 1. Funkoffizier Dumcke, der zuletzt der Bordfunkstelle des HAPAG-Passagierdampfers „New York“ vorstand, geleitete Bordfunkstelle des Luftschiffes war mit drei Funkoffizieren besetzt und galt damals als die grösste funktechnische Einrichtung, welche bis zu diesem Zeitpunkt für Luftfahrzeuge gebaut worden war. Zur Abwicklung des regulären Telegramm- und Telephonieverkehrs diente ein Röhrensender von einem Kilowatt Maschinenleistung (etwa 140 Watt Antennenleistung), der auf allen Wellenlängen zwischen 500 bis 3000 m sowohl ungedämpfte als auch tönend modulierte Telegraphie und Telephonie aussenden konnte.
Als Stromquelle diente ein Propeller-Generator, welcher durch den Luftstrom während der Fahrt angetrieben wurde. Er besass eine Regulierung, durch die alle Schwankungen der abgegebenen elektrischen Energie ausgeglichen wurden. Durch einen zweiten Luftstromgenerator wurde die Schiffsbeleuchtungs-Batterie gespeist und gleichzeitig ein Reserve-Maschinenaggregat geschaffen. Eine ausreichend grosse Akkumulatorenbatterie konnte im Notfall durch das in der Führergondel eingebaute Benzinaggregat aufgeladen werden. Ein Notsender mit 70 Watt Antennenleistung für Telegraphie und Telephonie, auf den Wellenlängen 300 m bis 1 300 m, konnte wahlweise durch die Generatoren oder Batterien gespeist werden.
Rechts:  Erste Funkausrüstung des LZ 127 "Graf Zeppelin"
Die Hauptantenne wurde aus zwei Drähten, je 120 Meter, gebildet, welche am Ende durch ein Bleigewicht beschwert waren. Sie konnten mit einem Elektromotor oder durch eine handgetriebene Haspel abgelassen werden. Ein 40 m langer Draht, welcher nach einem Ring des Luftschiffkörpers verspannt wurde, diente als Notantenne.
Zum Empfang dienten drei hochwertige, gepanzerte Terzierempfänger (Dreikreisabstimmung), mit je 6 Röhren, die für die Wellenlängen 120 m bis 1200 m, 400 m bis 4000 m und 3000 m bis 25 000 m eingerichtet waren. 
Ein Kurzwellenempfänger, der den Wellenbereich von 10 m bis 280 m umfasste, ergänzte die Empfangsanlage.
Links: Die Empfangsanlage des LZ 127 (ab 1929/30)
Für Peilzwecke diente ein moderner Telefunkenpeiler, welcher bereits auf allen grossen Passagierdampfern für die Richtungsbestimmung eingeführt war. Durch Eigenpeilung, vermittels der drehbaren Rahmenantenne, konnte man vom Luftschiff aus, nach dem Prinzip der Kreuzpeilungen, den Standort zweier bekannter Küstenfunkstellen oder zweier Ozeandampfer, deren Besteck dem Zeppelin drahtlos zugeführt wurde, den eigenen Standort des Luftschiffes genau bestimmen.
Die DEBEG hatte den Betrieb der Funkstelle übernommen. In erster Linie sollte sie den Bedürfnissen der Schiffsführung zur Verfügung stehen, also für Peilungen, Aufnahme von Wetterberichten und des Zeitzeichendienstes, Ankunftsmeldungen, usw. Darüber hinaus hatte sie auch die Beförderung von Privattelegrammen für Passagiere und für Pressevertreter übernommen.

Der drehbare Peilrahmen war in einer Kuppel
unter der Gondel angebracht.
(Foto von LZ 126)

Während der ersten Amerikafahrt des Luftschiffes nach den Vereinigten Staaten hat die Funkanlage 484 Privattelegramme mit 10454 Wörtern und 160 Pressetelegramme mit 8395 Wörtern verarbeitet; ausserdem den sehr umfangreichen Wetter- und Sicherungsdienst. Die „New York Times“ vom 16. Oktober 1928 brachte unter der Überschrift „Radio on Zeppeline like plant on Liner“ eine Beschreibung der Station und schloss ihre eingehende Betrachtung mit den Worten: „According to experts, the equipment on the „Graf Zeppelin“ ist the most complete ever installed in such a craft and compares in capacity with that of a modern transatlantic liner“.
Was die Betriebsergebnisse mit der Kurzwellenanlage des Luftschiffes “Graf Zeppelin” auf den im Jahre 1929 ausgeführten Weltreisen anbelangt, so seien die Verkehrsreichweiten herangezogen, welche in dieser Hinsicht die meisten Erfahrungen brachten. Als Betriebswellen wurden die 35,4m, 25m, und 16,5m bei Tage sowie 53m bei Nacht benutzt. Zwischen 27m und 30m war der Empfang ungünstig, da in diesem Bereich starke örtliche Störungen beobachtet wurden. 
Blick durch den Kartenraum in die Kommandobrücke
Aufnahme nach 1936, da hier bereits das Peilsystem
zur Ansteuerung des Landesmastes installiert ist
Mit dem Kurzwellensender konnten bei Nacht, mit grosser Regelmässigkeit, Entfernungen bis etwa 6000 Kilometer erreicht werden. Über den Kurzwellenempfang lässt sich sagen, dass dieser im Luftschiff nicht entfernt die gleichen Schwierigkeiten machte, wie im Flugzeug. Der lokale Störpegel elektrischer und mechanischer Ursachen liegt viel niedriger, was erklärlich ist, wenn man bedenkt, dass der Abstand zwischen Empfänger und dem nächsten Explosionsmotor etwa 30 Meter betrug, so dass die Zündstörungen eine viel geringere Rolle spielten, als im Flugzeug. Auch war es im Luftschiff viel leichter möglich, alle elektrischen Apparate mit Schutzdrosseln zu versehen, um den hochfrequenten Störpegel zu senken. Die hierdurch bedingte Gewichtszunahme spielte im Luftschiff eine geringere Rolle. 
Die Gondel des LZ 127
Der akustische Störspiegel lag gegenüber dem Flugzeug ebenfalls sehr niedrig, da, wie schon erwähnt, die Motoren weit entfernt vom KW-Empfänger sich befanden und die Funkkabine mit akustisch gut isolierten Wänden gebaut werden konnte.
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Version: 23-Nov-02 / Rev.: 14-Aug-06 / 11-Jun-11 / HBu